Buchtipp
Ranga Yogeshwar: Verpassen wir die Ausfahrt Zukunft?
Von Elita Wiegand
Ausgerechnet der Kaffeeautomat. Doch auch das defekte Smartphone oder der streikende Roboter Staubsauger hätten ihn verärgert, denn wir sind abhängig von den Geräten, die übertechnisierte Welt hat uns voll im Griff. Direkt auf den ersten Seiten seines aktuellen Buches “Nächste Ausfahrt Zukunft“ brilliert der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar mit einer persönlichen Geschichte. Erlebnisse, Visionen, Storytelling, das braucht der Leser, um die ungewisse Reise in die Zukunft anzutreten. Obwohl wir verunsichert sind, folgen wir den Physiker gerne, denn wir vertrauen ihm und schätzen seine Fähigkeit komplexe Vorgänge verständlich zu schildern.
Die ungewisse Reise in die Zukunft
Doch wissen wir, wohin wo die Ausfahrt zur Zukunft ist? Oder sind wir Passagiere auf einer Reise ins Ungewisse, überfordert mit der Digitalisierung, Robotik, künstlicher Intelligenz, dem Klimawandel, Mobilität, Energie oder Ernährung. Wie stehen vor der größten Transformation, die die Menschheit jemals erlebt hat. Die Arbeitswelt zerbröselt, Berufe werden ersetzt, disruptive Technologien verdrängen Produkte oder Dienstleistungen, Unternehmen verschwinden vom Markt. Das Neue erobert die Welt rasend schnell, um Antworten auf die drängenden Fragen zu finden.
Der Autor ruft nach einer starken Politik, doch die Zukunft wird auf die lange Bank geschoben, Politiker wirken geradezu machtlos gegenüber den globalen Playern. Währenddessen machen Internetgiganten wie Google und Facebook, Apple und Amazon ihr Ding und beherrschen die globale Ökonomie. Ihr Einfluss reicht inzwischen so weit, dass sie ein Risiko geworden sind. Lässt sich der galoppierende Fortschritt überhaupt noch steuern? Verschmilzt das menschliche Denken mit der Maschinenintelligenz? Werden unsere Systeme instabil und werden wir zu Gefangenen in einer Welt der Überwachung?
Diskrepanz zwischen Gestern und Morgen
In seinem Buch „Nächste Ausfahrt Zukunft“ kehrt Yogeshwar zwischendurch in die Vergangenheit zurück, winkt Unternehmen wie Kodak oder Tudor zu, die den Anschluss verpasst haben, erinnert an die Zeit, als Atommüll einfach ins Meer versenkt wurde oder Ferngespräche sündhaft teuer waren. „Doch wir erleben die schrille Diskrepanz zwischen Gestern und dem Morgen, zwischen Beharren und Erneuerung, zwischen Alt und Neu“, schreibt er. „Wir stehen plötzlich orientierungslos mitten auf der Straße des Fortschritts.“
Und dort wartet zum Beispiel der Technokrat und Google Entwickler Ray Kurzweil, der seine Visionen von intelligenten Algorithmen und Supercomputern beschreibt – und von den unsterblichen Menschen. Homo Deus. Kurzweil fragt nicht, ob es sinnvoll ist, den Tod zu überwinden, fragt nicht nach ethischen Tabus. Für ihn gilt: Was machbar ist, wird umgesetzt. Was bleibt von uns, von den Menschen, unseren Emotionen, unserer Kreativität und Freiheit? Verlieren wir unsere Selbstbestimmung? „Computer und Mensch, wer am Ende wen programmiert, wird davon abhängen, ob wir uns treu bleiben und unsere menschliche Unzulänglichkeit akzeptieren und in ihr all jene Schönheit erkennen, die kein Algorithmus jemals erfassen wird“, heißt es bei Yogeshwar.
Zukunft aktiv gestalten
Der Wirtschaftsjournalist bindet seine Leser ein, wir werden zu Weggefährten seiner Zeitreise. Er bietet uns verschiedene Perspektiven an und erklärt Zusammenhänge. Die Warnungen sind eindeutig. So müsse der Zukunftsentwurf wieder zu einer Gemeinschaftsaufgabe werden. Der Autor plädiert für eine Kultur des Neuen, die offen, selbstbewusst und undogmatisch sei und sich für das Menschliche einsetze. An vielen Stellen wird man wachgerüttelt, aufgeklärt, versteht Hintergründe. Ranga Yogeshwar behält seine optimistische Haltung. Es ist ein unterhaltsames Buch, aber es hinterlässt ein Stück Ratlosigkeit. Warten ist passiv, viele von uns würden die Zukunft gerne aktiv gestalten.
Buch: Nächste Ausfahrt Zukunft – Geschichten aus einer Welt des Wandels von Ranga Yogeshwar
Erschienen bei Kiepenheuer und Witsch
Über den Autor
Ranga Yogeshwar, geboren 1959, Diplomphysiker, arbeitete von 1987 bis 2008 als Wissenschaftsredakteur beim WDR in Köln und ist inzwischen als freier Journalist und Autor tätig. Er entwickelte und moderierte zahlreiche Sendungen (u.a. »Quarks & Co«, »Die große Show der Naturwunder« und »Wissen vor acht«), in denen Wissenschaft populär vermittelt wird. Ausgezeichnet mit über 50 Ehrungen und Preisen.
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