Interview
Ines Dauth zu extrovertierten und introvertierten Menschen im Team

„Introvertiert- extrovertiert: Wie arbeiten wir erfolgreich zusammen?“
Dazu ein Interview von Elita Wiegand mit der Partnerin des Wertewandels Ines Dauth.

Wir glauben, dass die Begriffe „introvertiert“ und „extrovertiert“ noch jung sind, aber tatsächlich hat C.G. Jung die Begriffe in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts geprägt. Extrovertierte gelten als aktiv und kontaktfreudig. Introvertierte hingegen als eher zurückhaltend und passiv. Was sagen Sie zu den Persönlichkeitsmerkmalen?

Ines Dauth: Da gibt es ganz viele Unterschiede. Und noch dazu müssen sie abgegrenzt werden von der Schüchternheit. Sowohl introvertierte als auch extrovertierte Menschen können schüchtern sein. Die Introversion zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass jemand eine ruhige Umgebung braucht. Introvertierte suchen durchaus den Austausch, aber sie suchen auch Rückzugsmöglichkeiten. Ein weiterer Unterschied besteht zum Beispiel darin, dass ein Extrovertierter beim Reden denkt, während der Introvertierte die Informationen während des Redens sammelt und in der Ruhephase verarbeitet.

Es ist doch wichtig, dass Führungskräfte und die Mitarbeiter wissen, wer am Arbeitsplatz introvertiert und wer extrovertiert ist. Wie wirken sich Unterschiede im Team aus?

Ines Dauth: Das ist wichtig, vor allem in der Teamarbeit. Wenn also ein Team zusammenfindet oder jemand neu in das Team kommt, ist es wichtig, dass man die Kommunikationsregeln bespricht. Wie kommunizieren wir miteinander? Wie gehen wir miteinander um? Wer sind wir vom Naturell und worauf ist zu achten? Ob introvertiert oder extrovertiert, jeder ist in seiner Persönlichkeitsstruktur ein Stück weit gefangen. Das heißt, dass beide Seiten Rücksicht aufeinander nehmen sollten. Die Themen müssen auch in Meetings angesprochen werden, damit jeder das Verhalten der Einzelnen im Team besser einordnen kann und sich dafür sensibilisiert, dass beide Facetten eine Berechtigung haben. Sie können sich sogar wunderbar ergänzen und bereichern.

Sie sind Beraterin und die unterschiedlichen Persönlichkeitsstrukturen fließen in Ihre Arbeit ein. Warum ist das wichtig?

Ines Dauth: Ich bin aus persönlichem Interesse darauf gekommen, weil fast alle meine Familienmitglieder introvertiert sind. Da sind wir der Problematik in der Schule oder am Arbeitsplatz schon häufiger begegnet. Um Netzwerke, auch interne Netzwerke zum Leben zu erwecken, muss ich mich als Beraterin mit dem Thema befassen, wie man auch Introvertierte in die Netzwerkarbeit integriert. Ich begleite zum Beispiel in einem Unternehmen die mittlere Führungsebene. Hier lag die Herausforderung darin, dass ein Team interdisziplinär zusammen finden sollte, um gemeinsame Projekte zu initiieren. Doch wie integriert man die eher ruhigen Mitarbeiter in das Team und wie verbessert man die Kommunikation im Netzwerk? Ein anderes Beispiel: Ich habe in der Einzelberatung Klienten, die ich an das Thema Netzwerken im verdeckten Stellenmarkt heranführe. Hier höre ich aber oft: „Ich bin nicht der, der sich darstellt. Ich bin nicht der, der im Netzwerk laut trommelt.“ Meine Aufgabe ist es, unterschiedliche Strategien aufzuzeigen und die Angst vor dem Kontakte knüpfen zu nehmen. Ich werde keinen verbiegen, sondern wir schauen verschiedene Möglichkeiten für den Introvertierten und den Extrovertierten an. Da muss ich zum Beispiel als Introvertierter nicht am Ende einer Veranstaltung mit 20 Visitenkarten nach Hause gehen, sondern da kann ich stolz mit einem oder zwei guten Gesprächen eine Veranstaltung verlassen und muss dafür kein schlechtes Gewissen haben. Ich selbst handhabe das übrigens genauso.

 Wie sieht es bei den Introvertierten oder Extrovertierten in Ihrer praktischen Erfahrung aus? Wissen sie, welche Eigenschaften sie prägen?

Ines Dauth: Viele spüren ihr Naturell und wissen Bescheid. Aber was kommt aus der Erziehung und Schule? Bei Introvertierten heißt es oft in der Schule: „Melde Dich! Du musst mitarbeiten, Du musst Dich in den Vordergrund stellen, auch wenn Du Quatsch erzählst!“ So sind wir geprägt und das führt dazu, dass Introvertierte, weil sie nicht aus ihrem Korsett heraus können, sich in der Form der Ansprache auch nicht wiederfinden und es deshalb als Makel empfinden. Mittlerweile ist das Thema in den Unternehmen aktuell, besonders auch dadurch, dass agile Arbeitsweisen eingeführt werden oder auch mobile Arbeitswelten, die mit Großraumbüros einhergehen. Da werde ich zum Beispiel von Unternehmen angesprochen, die fragen, wie sie es leisten können, dass alle ihren Platz finden und sich jeder einbringen kann. Die Thematik wird künftig noch Fahrt aufnehmen und es wird noch wichtiger werden, auf beide Persönlichkeitsmerkmale gut eingehen zu können und den empfundenen Makel wegzunehmen.