Denkanstoß Mobilität:
Ohne Lenkrad in die Zukunft
von Eike Wenzel *
Vor einigen Jahren, das muss ich gestehen, habe ich selbstfahrenden Auto nicht ernst genommen. Heute wissen wir, dass das Elektrofahrzeug nicht die schlussendliche Lösung unserer Mobilitätsprobleme sein wird. Auch wenn sich Tesla durchsetzen würde, schafft das Unternehmen bis 2030 vielleicht 20 bis 30 Prozent des amerikanischen Verkehrs zu elektrifizieren. Dazu bräuchten sie bestimmt mehr als 100 Giga Factorys, aber Tesla hat bislang eine gebaut und das hat lange gedauert.
Reallabor für autonomes Fahren
Und es ist eine Frage der Finanzierung und auch die Batterien spielen eine große Rolle. Wir sind in Deutschland für Lithium auf Importe angewiesen und die kommen aus politisch schwierigen Regionen. Es gibt zwar genug reiche Vorkommen, aber manche Ländern sind aus Umweltgründen nicht bereit, die Rohstoffe abzubauen. Wir brauchen autonomes Fahren und eine autonome Mobilität. In einem Reallabor, beispielsweise Luxemburg, müsste man das autonome Fahren testen. Wenn wir die Mobilität auf autonom fahrende Autos umstellen, bräuchten wir von heute auf morgen keine Parkplätze mehr. Unsere Autos stehen eh 95 Prozent der Zeit herum, die autonomen Autos aber wären permanent unterwegs. Das wäre sehr effizient. Die Vorteile: Wir sparen Zeit, Staus fallen weg, Versicherungen oder Stellplätze sind überflüssig! Metropolen werden ihre Lebensqualität auch über Fahrradwege definieren. Der ÖPNV hat weiterhin eine wichtige Funktion. Er wird aber irgendwann, wenn man das Konzept der selbstfahrenden Autos zu Ende denkt, in einer Art Uber-Modell aufgehen.
Automobile Zukunft 2030
Mobilitätsforscher der Standford Universität um den Solar-Guru Tony Seba haben die automobile Zukunft für das Jahr 2030 entworfen – es werden 70 Prozent weniger Autos gebraucht. Ich sitze im Nachhaltigkeitsrat des Landes Baden-Württemberg mit Winfried Kretschmann und dort ist auch Mercedes vertreten. Die hören nicht so gerne, dass die Hersteller künftig 70 Prozent weniger Autos produzieren. Amerikanische Bürger würden durch die autonome Mobilitätszukunft eine Billiarde Euro einsparen. Der finanzielle und ökologische Benefit wäre enorm. Doch das Mobilitätskonzept hört sich heute noch für viele gewöhnungsbedürftig an, aus seinem ganz simplen Grund: Wir haben im 20. Jahrhundert gelernt, dass Mobilität individuell ist und Freiheit bedeutet. Obwohl sich viele dagegen sträuben werden, bringt jedoch diese „vernetzte Mobilität“ viel mehr Vor- als Nachteile.
* Über den Autor
Zukunftsforscher Dr. Eike Wenzel ist Gründer und Leiter des Instituts für Trend- und Zukunftsforschung (ITZ GmbH) und Herausgeber des monatlichen Letters Megatrends! Er gilt als einer der renommiertesten deutschen Trend- und Zukunftsforscher und ist Kolumnist der “Wirtschaftswoche” und nimmt Lehraufträge an deutschen und internationalen Universitäten wahr.