Antje von Dewitz: Die nachhaltige Gipfelstürmerin

Antje von Dewitz ist Geschäftsführerin des familiengeführten Unternehmens VAUDE Sport GmbH & Co. KGNach ihrem Studium der Wirtschafts- und Kulturraumstudien baute sie als Produktmanagerin den Produktbereich „Packs ‘n Bags“ bei VAUDE auf, im Anschluss daran verantwortete sie die Kommunikation des Unternehmens. Zwischen 2002 und 2005 promovierte und arbeitete sie am Stiftungslehrstuhl Entrepreneurship an der Universität Hohenheim. 2009 hat sie die Geschäftsführung von ihrem Vater Albrecht von Dewitz übernommen, der bereits den Grundstein für die ökologische und soziale Verantwortung des Unternehmens legte. Dr. Antje von Dewitz verfolgt eine konsequent auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmensstrategie.

Das Interview mit Antje von Dewitz führte Elita Wiegand. 

Sie setzen sich für ein nachhaltiges, faires und umweltfreundliches Wirtschaften ein; Vaude ist mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Preis für Unternehmensethik des Netzwerks Wirtschaftsethik. Worin begründet sich dieses Engagement?

Antje von Dewitz: In unserem Unternehmen haben wir Nachhaltigkeit schon seit jeher verankert und Projekte im sozialen und ökologischen Bereich umgesetzt. Als ich Geschäftsführerin wurde und das Unternehmen von meinem Vater übernommen habe, sagte ich: „Machen wir’s ganz oder gar nicht?“ Und dann haben wir beschlossen, die nachhaltige Ausrichtung zu verstärken, indem wir konsequent diesen Weg gehen und auch die Mitarbeiter als Multiplikatoren zugewinnen und mitnehmen.

Der Outdoor Markt ist hart umkämpft, der rasante Boom ist vorbei. Ist Nachhaltigkeit eine Möglichkeit, die Marke Vaude zu stärken und sich von der Konkurrenz abzuheben?

Antje von Dewitz: Die Outdoor-Branche bietet generell eine gute Basis für Themen der Nachhaltigkeit, weil unsere Kunden Kanu fahren, wandern, radeln oder klettern, was vornhinein eine Naturverbundenheit voraussetzt. Darin begründet sich auch das erhöhte Interesse dieser Zielgruppen, die Natur zu bewahren. Wir haben bereits sehr früh konsequent auf Nachhaltigkeit gesetzt und damit eine hohe Glaubwürdigkeit erlangt. Durch haben wir es geschafft, uns zu differenzieren. Wir wollen uns unterscheiden, heute sind wir eine begehrte Marke und haben überdurchschnittliche Umsatzsteigerungen.

Worin unterscheiden Sie sich, was macht Ihre Unternehmenskultur aus?

Antje von Dewitz: Wir haben uns den Ruf erarbeitet, dass wir ein guter, mitarbeiterorientierter und familienfreundlicher Arbeitgeber sind. Unsere Unternehmenskultur basiert auf Vertrauen und Transparenz. Wir investieren viel Energie in Beziehungsarbeit, wollen, dass Führungskräfte und Mitarbeiter auf Augenhöhe miteinander umgehen, damit jeder seine Erfahrung, sein Wissen und seine Sichtweise einbringen kann. Uns ist auch wichtig, dass jeder verantwortungsvoll handelt und wir uns nicht im „Klein-Klein“ bekriegen. Wir fördern Frauen, bei uns sind 40 Prozent der leitenden Funktionen mit Frauen besetzt. Damit Beruf und Privatleben vereinbar sind, gibt es bei uns auch unterschiedliche Teilzeitmodelle, eine betriebseigene Kinderbetreuung und viele individuelle Lösungen.

Sie sagen auch, dass Sie nicht an einer kurzfristigen Gewinnmaximierung interessiert sind, sondern sich an Werten orientieren. Doch wie kann sich ein Unternehmen erfolgreich positionieren und gleichzeitig fair und ökologisch handeln?

Antje von Dewitz: Viele glauben nicht, dass man wirtschaftlich erfolgreich sein kann und gleichzeitig die sozialen und ökologischen Komponenten einbindet. Natürlich streben wir auch den unternehmerischen Erfolg an, aber wir verbinden Mensch und Natur. Die Frage, die sich daran anschließt: Wie können wir die Mehrkosten auffangen, die durch die nachhaltige Produktion entstehen, ohne sie auf den Kunden abzuwälzen? Es funktioniert bei Vaude nur deshalb, weil wir einen systemischen Ansatz verfolgen. Unsere Mitarbeiter sind hochmotiviert, selbstwirksam und übernehmen Verantwortung. In dieser Kultur, in der jeder seine Leistung optimal entfalten kann, gedeiht innovatives und kreatives Denken. Dadurch haben wir unsere Effizienz gesteigert. Ob Prozessoptimierung, Service oder neue Produkte – wir schaffen Innovationen und sind weit vorn. Inzwischen werden wir als Hoffnungsträger wahrgenommen, weil wir auch anderen Mut machen.

Welche Möglichkeiten sehen Sie, Ihr Konzept auf andere Unternehmen zu übertragen?  Sie sind auch mit Mitglied der Gemeinwohl-Ökonomie – wäre das ein Weg?

Antje von Dewitz: Unsere Wirtschaft ist von Profitdenken geprägt, gleichzeitig steigt die Klimaerwärmung, verbrauchen wir zu viele Ressourcen und die Schere zwischen Reich und Arm klafft immer weiter auseinander. Das System krankt, weil Unternehmen viel Geld verdienen, wenn sie ihre Produktion in Billiglohnländer verlagern und damit dazu beitragen, dass dort Menschen und die Umwelt Schaden erleiden. Das Problem: Die Wirtschaft bietet keine Anreize pfleglich mit Mensch und Natur umzugehen. Die Gemeinwohl-Ökonomie hingegen bilanziert Unternehmen danach, wie sie sich ökologisch und sozial verhalten und fördern das Verantwortungsbewusstsein für unsere Gesellschaft. Deshalb denken und handeln wir nach den Maßstäben der Gemeinwohl-Ökonomie. Diese ethischen Faktoren sind für uns ein wichtiger Baustein, um ein weiteres Stück Transparenz zu schaffen und sich dem kritischen Dialog mit der Öffentlichkeit zu stellen. Ich bin der Meinung, dass die Welt eine andere wäre, wenn Unternehmen nach der Gemeinwohl-Ökonomie bewertet würden und entsprechend ihre Steuern zahlen.

80 Prozent der Vaude Produkte werden in Asien hergestellt. Die globalen Lieferketten sind immer wieder Anlass zur Kritik. Was ist Ihre Lösung?

Antje von Dewitz: Wir beschreiten einen Pionierweg, weil es bislang an Lösungen für die globalen Lieferketten fehlt. Dazu gehören faire Löhne und Arbeitsbedingungen, saubere Produktionsschritte und umweltfreundliche Materialien. Wir wählen unsere Produktionsstätten selbst aus und arbeiten kontinuierlich an Verbesserungen. In China und Vietnam haben wir eigene Vaude Teams, die in den von uns beauftragten Produktionsstätten soziale, ökologische und qualitative Standards kontrollieren.

Seit 2010 sind wir Mitglied der Fair Wear Foundation und mussten uns verpflichten, die Produktionsstätten innerhalb von drei Jahren zu 90 Prozent zu auditieren. Das ist ein großer Aufwand bei rund 50 Produzenten, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir schulen die Produzenten und ihre Zulieferer in Chemikalien- und Ressourcenmanagement und verpflichten uns zu hohen Umwelt-und Sozialstandards. Unser Ziel ist es, dass selbst das kleinste Detail, wie zum Beispiel ein Knopf fair hergestellt wird. Wenn viele andere Unternehmen eine größere Verantwortung für die Lieferketten übernähmen, hätten wir global weniger Probleme.


Was sind aus Ihrer Sicht die drängenden Aufgaben, die wir lösen müssen, um die Wirtschaft nachhaltig zu verändern?

Antje von Dewitz: Mir liegt am Herzen, dass wir unser Verständnis von Wirtschaft grundlegend verändern, wir ganzheitlicher denken und handeln. Bereits im Kindergarten, in der Schule und an der Uni, müssten wir Werte lehren, aufzeigen, dass die Ressourcen begrenzt sind und wir nur eine Erde haben, auf die wir aufpassen. Studenten oder Schulabgänger, die zu uns kommen sind häufig in der moralisch-ethischen Auseinandersetzung nicht geübt. Wir müssen lernen, viel stärker mit Komplexität umzugehen und uns zu hinterfragen. Nachhaltig zu wirtschaften, erfordert eine hohe Professionalität und eine hohe Methodenkompetenz. Ich wünsche mir, dass Unternehmen gesetzlich dazu angehalten werden, ihre globalen Lieferketten im Griff zu haben.

Obwohl ich Unternehmerin bin und ich mich nicht gerne gängeln lasse, sehe ich aber wie schnell etwas vorangeht, wenn es gesetzlich geregelt ist. Wir müssen darüber nachdenken, dass in der Wirtschaft dieselben Werte und Regeln gelten wie in der Gesellschaft und es gesetzlich verankert wird:  Die Wirtschaft dient nicht dem Profit, sondern dem Gemeinwohl.


Das Interview ist auch in dem Kindle Buch „Was wir von Grenzgängern lernen können“  von Alexandra Hildebrandt erschienen. Hier…. 

Dr. Alexandra Hildebrandt ist Publizistin, Herausgeberin, Wirtschaftspsychologin und Nachhaltigkeitsexpertin. Sie studierte Literaturwissenschaft, Psychologie und Buchwissenschaft. Anschließend war sie viele Jahre in oberen Führungspositionen der Wirtschaft tätig. Bis 2009 arbeitete sie als Leiterin Gesellschaftspolitik und Kommunikation bei der KarstadtQuelle AG (Arcandor). Beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) war sie von 2010 bis 2013 Mitglied der DFB-Kommission Nachhaltigkeit. Den Deutschen Industrie- und Handelskammertag unterstützte sie bei der Konzeption und Durchführung des Zertifikatslehrgangs „CSR-Manager (IHK)“. Hildebrandt ist Mitinitiatorin der Initiative www.gesichter-der-nachhaltigkeit.de. Sie bloggt regelmäßig für die Huffington Post zu Nachhaltigkeitsthemen, ist Co-Publisherin der Zeitschrift „REVUE. Magazine for the Next Society”. Im Verlag SpringerGabler ist sie Herausgeberin der Bände „CSR und Sportmanagement“ (2014), „CSR und Energiewirtschaft“ (2015) und „CSR und Digitalisierung“ (2017).


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