Programmieren vor Latein: Plädoyer für moderne Lerninhalte
Zukunftslotse: Zukunftsrelevantes Wissen für die Ausbildung neu definieren

Die Digitalisierung wird Wirtschaft, Verwaltung und Wissenschaft gravierend umkrempeln. Bildung und Ausbildung benötigen für Arbeitskräfte mit Zukunft dringend eine Anpassung der Lerninhalte und der Wissensschwerpunkte, regt der Münchner Zukunftslotse Thomas Strobel an.

Künstliche Intelligenz (KI), Big-Data-Konzepte und die tiefgreifende Automatisierung mit Produktionsanlagen näher beim Kunden, werden sich in den nächsten Jahren massiv auf die Struktur der Arbeitsplätze und den damit verbundenen Fachkräftebedarf auswirken. Schon heute übernehmen Maschinen und Roboter manuelle Arbeitsschritte, wie auch bestimmte geistige Tätigkeiten, wenn diese auf relativ fest definierten und wiederholbaren Prozessen beruhen. Betroffen sind neben Lagerarbeitern und Maschinenführern auch Laborkräfte Küchen- und Steuerfachgehilfen oder Verwaltungsangestellte.

KI-Assistenten und Avatare als „Kollegen“

Erweist sich die maschinelle Lösung dank höherer Ausdauer, niedrigerer Fehlerquote und adaptiver Fähigkeiten als effektiver als der menschliche Mitarbeiter, müssen diese sich im Arbeitsprozess künftig vermehrt auf KI-Assistenten wie anpassungsfähige Roboter, Cobots (maschinelle Assistenten) oder Algorithmus-gestützte Avatare als „Kollegen“ einstellen. Die Digitalisierungsfolgen machen laut Zukunftslotse Thomas Strobel, der bereits zahlreiche Zukunftsprojekte für industrielle Branchenverbände bearbeitet hat, vor Berufsbildern wie Taxi- oder Lkw-Fahrer (autonomes Fahren) oder auch vor Journalisten und Juristen (Recherche-Bots) nicht halt. Auch die Arbeitsunterstützung für Produktionsingenieure und Bauplaner sowie Diagnosehilfen für Ärzte sind betroffen. „Je kreativer und assoziativer ein Beruf ist, desto schwieriger wird es, die Vielfalt dieser schwer vorhersehbaren Tätigkeiten durch künstliche Intelligenz zu ersetzen“, folgert Strobel.

Welche Fähigkeiten benötigten Fachkräfte von morgen?

Eine wesentliche Schlussfolgerung für Wirtschaft und Gesellschaft von heute muss laut Strobel deshalb sein, sich dem erwarteten Arbeitskräftemangel in derzeit noch vollkommen unbekannten Berufsbildern zu stellen. Dafür benötigen Bildungs- und Ausbildungsverantwortliche einen vorausschauende Umsetzungsplan, sonst muss später aufwendig nachqualifiziert und umgeschult werden.

„Wer meint, damit noch einige Zeit warten zu können, irrt“, warnt der 54-Jährige. So kommen Kinder, die im Herbst 2017 eingeschult werden, in der Regel nach zehn Jahren in die Berufsbildung und stehen dem Arbeitsmarkt etwa um das Jahr 2030 herum als Fachkräfte zur Verfügung. 2035 kommen die Absolventen von Universitäten und Hochschulen an den Arbeitsmarkt, die 2017 eingeschult werden. „Mit jedem Jahr, das wir nicht für Anpassungen nutzen, vergrößert sich der Abstand zwischen Ausbildungswissen und künftigen Berufsprofilen – zum Schaden der Wirtschaft, der Steuer-, Sozialversicherungs- und Rentensysteme“, so der Experte.

Vorausschauende Reformen

Um der Gefahr vorzubeugen, dass die Arbeitslosen von morgen aus den Schulen von heute kommen, fordert Strobel: „Wir brauchen für vorausschauende Reformen möglichst schnell alle an einem Tisch: Kultusministerielle, Sozialwissenschaftler, Wirtschaftsvertreter, aber auch die Schüler und Studenten – sonst rosten die Weichen für die Zukunft unerbittlich weiter ein.“ Auch müsse ein neues, zeitgemäßes Zusammenspiel von unterschiedlichen Lernformen schrittweise Einzug halten, damit erfolgreiches Lernen von qualifizierten Lehrern in Verbindung mit Online-Tutorials oder e-Learning möglich wird.

Bei grundlegenden Fähigkeiten, die Schüler und Fachkräfte von morgen mit hoher Wahrscheinlichkeit benötigen, favorisiert Strobel insbesondere:
• Grundlagen mit flexibler Einsetzbarkeit wie beispielsweise Dreisatz und Kopfrechnen;
• Grundwissen für die Analyse und das Verständnis von Zusammenhängen (z.B. Hebelgesetz und eine Auswahl naturwissenschaftlicher Axiome);
• Grundfähigkeiten für den Alltag von morgen (, Prinzipien von Steuererklärungen, Versicherungen, Geschäftsgründung, usw.);
• Kenntnisse in Programmierung und Digitalisierung im Sinne der zugrundliegenden Prinzipien und Mechanismen von IT, Software und Applikationen;
• Fähigkeiten zur Team-Arbeit in Projekten und für offene, von Neugierde geprägte, interdisziplinäre Zusammenarbeit über Fachgebiete hinweg.
• Grundkenntnisse in Englisch

Folglich sollten alle Ausbildungszweige in Schulen, Berufsschulen und Universitäten vorrangig Grundlagen und Wissen mit „langer Haltbarkeit“ vermitteln. „Latein hatte früher einmal eine Zukunftsrelevanz zum besseren Verständnis der Welt: Heute liegt der Schlüssel dafür bei Programmierverständnis, BWL und Künstlicher Intelligenz,“, sagt der ehemalige Strategiemitarbeiter von IT- und Technikkonzernen. Der Mut zu neuen Prioritätsstufen sei gefragt.

Zukunftslandkarten für Ausbildungseinrichtungen

Um in Kultusministerien, betrieblichen Ausbildungsstätten und regional verwurzelten Hochschulen ein „Bauchgefühl für morgen“ zu entwickeln, empfiehlt Strobel, für unterschiedliche Ausbildungspfade Zukunftslandkarten zu erarbeiten. Sie würden einen bedarfsorientierten Abgleich von Zukunftsbildern für Wissen und Qualifikationen mit dem bestehenden Status quo erlauben.
Dadurch kann eine Verbindung herstellt werden zwischen den heutigen Lehrplänen und einem erforderlichen Zukunftszustand. Wer bereit sei, sich dieser Diskussion zu stellen, werde schnell erkennen, wie sich die Schwerpunkte verschieben müssen, damit Zukunftssicherheit und Attraktivität am Arbeitsmarkt wichtige Steuergrößen einer „Ausbildung für die Zukunft“ werden, ist Strobel überzeugt.

Über Thomas Strobel 

Zukunftslotse Thomas Strobel ist Geschäftsführer der FENWIS GmbH in Gauting. Als Dipl.-Ing. für Maschinenwesen gilt der 54-Jährige auf Grund seiner beruflichen Vita mit Stationen u. a. in branchenübergreifenden Strategie- und Planungsteams von Siemens und Telekommunikationsfirmen als besonders industrienah. FENWIS hat sich mit Blick auf den Bedarf mittelständischer Unternehmen und vorausschauender Branchenverbände methodisch auf die teamorientierte, systematische Zukunftsplanung in Form von Zukunftslandkarten spezialisiert.

Kontakt:

FENWIS GmbH
Hubertusstr. 25
82131 Gauting

Fon: 089-89 35 77 98

Web: www.fenwis.de
Mail: t.strobel@fenwis.de