Achtung Stolperstein(e)! 
Kooperativ kommunizieren im Team

 von Ulrike Stahl *

Ulrike Stahl – Unternehmerin, Coach und Trainerin

Kooperativ zu kommunizieren fällt erfahrungsgemäß den meisten Menschen erst einmal schwer – wohl auch deshalb weil wir eher als Einzelkämpfer erzogen wurden und werden. Dabei sorgt gerade die Kommunikation mit kooperativem Mindset für ein besseres Teamklima und bessere Ergebnisse. Grund genug also, sich mögliche Stolpersteine einmal genauer anzusehen und dafür zu sorgen, dass diese nicht dazu führen, dass die Kommunikation im Team akut oder auf Dauer ins Straucheln gerät.  

 Doch warum ist Kommunikation überhaupt so schwierig und führt so oft zu Missverständnissen? Ganz einfach – und doch wieder auch nicht! Obwohl wir dauernd kommunizieren, ist es ein hochkomplexer Vorgang. Wir übersetzen unsere Gedanken in Worte, die wir an eine andere Person richten. Diese nimmt sie auf und übersetzt die angekommene Information in eine Sprache, die zum eigenen Verständnis passt. Da kann viel danebengehen. Angefangen davon, dass wir nicht alles so sagen (möchten), wie wir es denken, akustische Störungen auftreten können und das Gehörte nicht immer so verstanden wird, wie es gemeint war. Noch dazu, wenn folgende drei alltägliche Stolpersteine eine kooperative Kommunikation im Team erschweren:

  1. Stolperstein: Neue Kommunikationswege

Die neuen Kommunikationswege erleichtern uns einerseits die Kommunikation sehr. Wir haben sie jederzeit zur Verfügung und müssen nicht aufwändig ein persönliches Treffen arrangieren. Updates oder Fragen können schnell adressiert und Missverständnisse sofort geklärt werden. Andererseits ist Kommunikation eine komplexe Angelegenheit. Wir senden unsere Botschaft nur zu einem kleinen Anteil über die Worte. Der Großteil der Information fließt über Stimme und Körpersprache. Je nachdem, welchen Kommunikationsweg wir wählen, geht ein größerer oder kleinerer Teil der Information verloren. Die Email besteht nur aus Worten, die SMS oder WhatsApp meist aus wenigen Worten und Abkürzungen – es besteht also großer Interpretationsspielraum und damit auch viel Raum für Missverständnisse. Der Live-Chat besteht zwar auch nur aus Worten, bietet aber zumindest zeitlich einen zusammenhängenden Austausch. Das Telefon oder die gesprochene WhatsApp liefert immerhin den Klang der Stimme, damit kommen schon rund 2/3 der Information im Vergleich zum persönlichen Gespräch an. Jede visuelle Unterstützung erhöht die Informationsübertragung und reduziert die Gefahr von Missverständnissen weiter. Ein geteiltes Dokument oder eine Bildschirmpräsentation zum Beispiel schaffen mehr Klarheit über das, was besprochen wird. Kommt zusätzlich noch das Kamerabild ins Spiel, haben wir das Optimum erreicht, das virtuelle Kommunikation uns bieten kann. Jetzt heißt es nur noch voller Fokus auf die Kommunikation. Wenn wir nicht direkt mit der anderen Person zusammensitzen, lassen wir uns noch leichter ablenken. Durch Emails, die gerade hereinkommen, ebenso wie durch andere Aufgaben, die wir meinen, parallel erledigen zu können. Aber Vorsicht: Erfolgreiche Kommunikation braucht unsere volle Aufmerksamkeit – gerade wenn wir uns nicht direkt gegenübersitzen.

  1. Stolperstein: Grobe Missverständnisse im Team

Wie eingangs beschrieben, ist es gar nicht so leicht mit der zwischenmenschlichen Kommunikation. Was aber tun, wenn es sich nicht mehr nur um kleine Missverständnisse, sondern bereits um einen ausgewachsenen Konflikt handelt? Je nachdem wie fortgeschritten dieser ist, sollte ein Unbeteiligter (Führungskraft mit entsprechender Ausbildung, Personalverantwortlicher oder auch ein externer Coach) ein offenes Gespräch zwischen den Teammitgliedern moderieren, um gemeinsam mit den Beteiligten den Kern des Missverständnisses herauszuarbeiten. Ziel ist es, Emotionen anzusprechen, diese möglichst zu bewältigen und so ein Klima herzustellen, das das Team wieder in die Lage versetzt, selbst Lösungen zu erarbeiten. Hat sich die Situation schon sehr zugespitzt und können die Beteiligten bereits nicht mehr miteinander reden, macht folgendes Vorgehen Sinn: Nach Einzelgesprächen werden die Konfliktpunkte mit den Beteiligten in Anwesenheit der anderen Beteiligten geklärt und ein Zustand erarbeitet, in dem die Beteiligten wieder miteinander reden. Gemeinsam wird dann nach praktikablen Lösungen gesucht. Auch wenn es schizophren klingt, gibt es keine vertrauensbildendere Maßnahme als einen erfolgreich bewältigten Konflikt. Je früher er angegangen wird, desto geringer sind die persönlichen Verletzungen und desto höher ist die Chance auf eine einvernehmliche Lösung.

  1. Stolperstein: Unerfahrene Kooperationsteams

Unerfahrene Kooperationsteams unterschätzen häufig, wie wichtig es ist, eine gemeinsame Arbeitsbasis herzustellen und vergessen, sich dafür Zeit zu nehmen. Man stürzt sich am liebsten sofort ins Tun, sammelt Umsetzungsideen und vereinbart erste Arbeitspakete. Aber wenn jeder nur seine Arbeit macht, ist das Arbeitsteilung und noch keine Kooperation. Kooperation beginnt dort, wo jeder über seine Rolle hinaus Verantwortung für das Endergebnis übernimmt. Das erfordert ein klares, gemeinsames Verständnis des angestrebten Ergebnisses und die Fähigkeit, sich auch immer wieder in die Situation der Anderen hineinzuversetzen und für alle mitdenken zu können. Dazu muss man sich erst einmal kennenlernen und offen austauschen. Jeder Beteiligte sollte deshalb zunächst für sich folgende Punkte klären – am besten schriftlich:

  • Welche Beweggründe habe ich, die Kooperation einzugehen?
  • Was kann und bin ich bereit, beizutragen?
  • Was sind meine Ziele? Was muss passieren, damit ich die Kooperation als erfolgreich betrachte?
  • Welche Erwartungen habe ich an die anderen Kooperationspartner?
  • Wie muss die Zusammenarbeit aussehen, damit ich mich wohl fühle?

Wichtig ist dabei, offen und ehrlich zu sein und ohne Scheu das auszusprechen, was einem wichtig ist. Kooperationen, die auf nicht ausgesprochenen Interessen und Erwartungen beruhen, scheitern häufig. Die Informationen werden anschließend im Team ausgetauscht und Verständnisfragen geklärt – wie zum Beispiel:

  • Was genau brauchst du von mir?
  • Was genau muss passieren, damit deine Erwartung erfüllt wird? Was darf nicht passieren?

Falls es Interessens- oder Zielkonflikte gibt, muss genau jetzt nach Lösungen gesucht werden, die möglichst allen Interessen gerecht werden. Wenn Abstriche gemacht werden müssen, lohnt es sich zu prüfen, ob das Projekt noch für alle Beteiligten lohnenswert ist. Zu klären wäre auch folgender Aspekt: Was passiert, wenn im Verlauf einer der Beteiligten feststellt, dass seine Interessen und/oder Erwartungen nicht erfüllt werden?

Damit Kommunikation in Teams gelingt…

…braucht es Achtsamkeit und das Bewusstsein dafür, dass das Kooperationsergebnis nur so gut sein wird, wie die Kommunikation zwischen den Beteiligten. Wenn das noch nicht in Fleisch und Blut übergegangen ist – also den meisten Menschen – sollten klare Vereinbarungen getroffen werden, wann und wie kommuniziert wird.  Ein Standardablauf, in den auch Zeit für einen kurzen persönlichen Status eingeplant wird, bewährt sich vor allem bei regelmäßigen Teammeetings – egal ob persönlich oder virtuell und ob zwei Teilnehmer oder mehr. Das Meeting könnte z. B. starten mit einer kurzen Runde zur Frage, wo jeder gerade persönlich steht. Dann werden die aktuellen Punkte besprochen, die idealerweise schon vorher in einer Agenda zusammengeführt werden, die alle vorliegen haben. Ideal ist auch dabei schon festzulegen, worum es bei dem jeweiligen Punkt geht: Nur Information (I), auch Diskussion (D) oder/und um eine Entscheidung (E). Das hilft, sich nicht zu verzetteln. Unsere Aufmerksamkeitsspanne ist leider nur begrenzt, deshalb ist es wichtig, die Zeit und den roten Faden im Blick zu behalten. Am besten übernimmt immer ein Teammitglied die Moderation und damit es nicht immer den oder dieselbe trifft, gibt es einen rollierenden Plan, nach dem jeder einmal dran ist. Die Ergebnisse der Besprechung sollten immer zumindest stichpunktartig festgehalten und an alle Beteiligten verteilt werden – vor allem auch an diejenigen, die nicht teilnehmen konnten. Darüber hinaus helfen zwei konkrete Tipps:

  1. Der Erfolgscheck

Im Sinne eines Erfolgschecks ist es wichtig, regelmäßig gemeinsam zu bewerten, wie die Kommunikation läuft. Ein Commitment, das auf jeden Fall getroffen werden sollte, ist die Vereinbarung, Probleme immer im Team zu besprechen, anstatt sich bei Außenstehenden darüber zu beklagen.

  1. Coaching

Der 2. Stolperstein hat es gezeigt: Sind die Fronten erst einmal verhärtet, kann das Team den Zustand einer kooperativen Kommunikation aus eigener Kraft nicht mehr herstellen. Konflikte haben die Eigenschaft, sich exponentiell zuzuspitzen! Während wir Standpunkte vehement vertreten, sind wir was das Mitteilen unserer wirklichen Bedürfnisse betrifft eher zurückhaltend. Manchmal sogar, weil wir uns dieser selbst nicht bewusst sind. Dann ist es auf jeden Fall Zeit, einen Coach als Moderator einzuschalten oder bei unerfahrenen Kooperationsteams bereits zum Start dazuzuholen. Er oder sie hat die innere Distanz zum Thema und die Methoden, die wichtigen Dinge zur Sprache und einen offenen Austausch zwischen den Beteiligten in Gang zu bringen. Der Coach sorgt auch dafür, dass die nötigen Vereinbarungen und Regelungen getroffen werden, die eine erfolgreiche Zusammenarbeit fördern.

Anerkennung, Wertschätzung und Begegnung auf Augenhöhe

Das Maß, in dem Anerkennung und Wertschätzung innerhalb eines Kooperationsteams gelebt werden und sich alle Kooperationspartner auf Augenhöhe begegnen, macht den Unterschied: Zwischen einer erfolgreichen und erfüllenden Kooperation und einer anstrengenden, verkrampften und am Ende vielleicht sogar erfolglosen Kooperation. Man kann Kooperationen mit einem Luftschiff vergleichen. Ein Luftschiff fliegt, weil der Auftriebskörper mit einem idealen Gasgemisch befüllt ist, der das Luftschiff steigen lässt. Ein kleiner Motor mit Luftschraube dient dem Antrieb und Leitwerke dienen der Steuerung. Wenn das Gasgemisch nicht stimmt und das Luftschiff nicht abhebt, sind der Motor und die Steuerung sinnlos. In einer Kooperation sind die Arbeitsbeiträge die Motoren, die das Luftschiff vorwärtsbewegen. Die Zielvereinbarungen helfen, es in die richtige Richtung zu steuern und zu einem Ergebnis zu kommen. Ohne Anerkennung, Wertschätzung und Begegnung auf Augenhöhe aber fehlt die Atmosphäre, die eine Kooperation überhaupt zum Fliegen bringt. Trotz klarer Ziele und großer Einzelanstrengung hebt das Projekt nicht ab oder strandet unterwegs.

Erfolgsversprechende Kooperationen bergen Überraschungen. Zum Glück! Wenn wir schon genau wüssten, was passiert, wo wäre dann der erhoffte Zugewinn? Also die 3, die aus 1 plus 1 entstehen soll. Für eine erfolgreiche Kommunikation im Team ist es deshalb wichtig, Kooperationen als stetigen Lernprozess zu betrachten und sich einen dynamischen Mindset zu bewahren – dann gelingt es auch, den einen oder anderen Stolperstein auf dem Weg zu einer kooperativen Kommunikation zu umgehen.  


* Ulrike Stahl lebt und lehrt als Unternehmerin, Coach und Trainerin Kooperation und Zusammenarbeit seit mehr als 15 Jahren. Über 2000 DAX-Unternehmen und Mittelständler weltweit hat sie bei der Vernetzung und dem Geschäftsaufbau unterstützt und dabei die Kerndimensionen kooperativen Verhaltens erforscht. Als Professional Speaker denkt und vermittelt sie das Thema Kooperation mit dem Mango-Prinzip inspirierend anders. Ihr Credo: „Kooperatives Verhalten ist kein netter Softskill, sondern das Überlebenshandwerkszeug.“ Weitere Infos:  www.ulrike-stahl.com