D2030 Zukunftskonferenz: In Aufbruchstimmung für eine lebenswerte Zukunft
von Elita Wiegand
Future Talks, Vorstellung der 2030 Szenario-Welten und die Expedition Deutschland 2030 – eine geballte Ladung Zukunftspower, die zum Weiterdenken auffordert. 150 Gäste sind zur D2030 Zukunftskonferenz nach Berlin gekommen: Sie wollen sich einbringen, engagieren und sich für lebenswerte Zukünfte einsetzen.
Lasst uns Geschichten über die Zukunft erzählen, von der wir träumen
„Lasst uns Geschichten erzählen über die Zukunft, von der wir träumen, die wir haben wollen, die sich in unseren Köpfen festsetzt und uns vorantreibt.“ Applaus für Dirk Helbing, Professor für Computational Social Science, ETH Zürich und Mitglied des D2030 Fachbeirates bei der offenen Diskussion. Er macht Mut in den unsicheren, chaotischen Zeiten, die uns verwirren und oft auch tatenlos machen: Automatisierung, künstliche Intelligenz, Robotik, Big Data, Internet der Dinge, Virtual Reality, was passiert mit unserer Gesellschaft, was mit der Wirtschaft und was setzen wir der digitalen Revolution entgegen?
Der Diskurs ist überfällig
Die Zukunftskonferenz der D2030 Initiative zeigt einmal mehr, dass wir dringend den öffentlichen Diskurs brauchen – und eine Bewegung, Menschen, die handeln, aufstehen, Denkmuster durchbrechen, Visionen entwickeln und für eine gute Zukunft kämpfen. Höchste Zeit, denn wir sind längst an dem Scheideweg angelangt, verlieren zunehmend die Kontrolle. Bevor uns Algorithmen die Entscheidungen abnehmen, sind wir gefordert, denn die offene Gesellschaft steht auf dem Spiel: Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Demokratie, Pluralismus, Fairness.
Szenarien, um die Zukunft weiterzudenken
Der radikale Wandel zwingt uns umzudenken, aber wissen wir eigentlich welche Zukunft wir wollen? Dieses Fragen haben sich die beiden Zukunftsforscher Beate Schulz-Montag und Klaus Burmeister gestellt. Sie haben die Initiative D2030 gegründet, Fachleute und Botschafter begeistert, ein Kernteam gebildet, Szenarien entwickelt und einen Prozess mit Umfragen in Gang gesetzt. Die Zukunftsbilder für Deutschland 2030 sind einmalig, allumfassend, durchdacht. Hier werden alle Bereiche wie zum Beispiel Energie, Bildung, Industrie Arbeit, Mobilität, Ökologie oder den demographischen Wandel abgebildet. Die D2030 Szenarien eröffnen Perspektiven, schaffen Orientierung, wie wir die Zukunft gestalten und vor welchen Herausforderungen wir stehen.
Die Ergebnisse der D2030 Umfrage und die Szenarien bilden die Basis zum Weiterdenken – das Open Source Projekt ist für jeden zugänglich. Dass Handlungsbedarf besteht, zeigte sich bei der Zukunftskonferenz, denn der Diskurs ist überfällig und wir müssen uns mit vielen Fragen auseinandersetzen.
Um die Diskussion weiter voranzutreiben, gibt es FutureHubs im Studio Z mit Experten, die der Blogger und Wirtschaftsjournalist Gunnar Sohn moderiert – live übertragen. Immer abrufbar auf dem Blog „Die Zukunft beginnt jetzt“ – hier…
Nachhaltigkeit und Digitalisierung
Doch die Zeit drängt, die „Transformation ist viel größer, als uns bewusst ist. Wir müssen eine Herkulesaufgabe bewältigen, die wir nur gemeinsam durch einen gesellschaftlichen Akt schaffen“, so Prof. Helbing. Nachhaltigkeit und Digitalisierung seien die Faktoren, die unsere Zukunft bestimmen, denn „Deutschland verbraucht 3,5-mal so viele Ressourcen wie erneuerbar sind. Die Katastrophe naht, denn wir haben immer noch nicht begriffen, dass das Pariser Klimaabkommen impliziert, dass wir bis zu 50 Prozent CO2 reduzieren müssen.“ Das habe dramatische Folgen, weil die Weltbevölkerung proportional zum Erdölverbrauch gestiegen ist. „Eine Reduktion um nur ein Prozent bedeutet, dass eine Milliarde Menschen sterben werden“, prognostiziert Dirk Helbing.
Eine totalitäre Gesellschaft?
Es geht um Leben und Tod. Um Freiheit – oder um eine IT-Diktatur, der schlimmsten totalitären Gesellschaft, die es jemals geben würde. Um die Ressourcen aufzuteilen, ist ähnlich wie in China der „Citizen Score“ denkbar. Mit diesem System sind Bürger transparent: Bewertet werden die Social-Media-Aktivitäten, zum Beispiel die Konsumgewohnheiten der User, ihr politisches Engagement oder ihre kulturellen Interessen. Bis 2020 soll in China ein umfassendes Sozialkreditsystem aufgebaut werden, ein System der Bewertung, Bestrafung und Belohnung. Die „Folgsamen“ werden bevorzugt behandelt, die anderen hingegen täglich überwacht: Da werden soziale Hilfen gekürzt, sie dürfen keine Führungsposition besetzen oder verlieren ihre Kreditwürdigkeit.
Systeme neu erfinden
„Nicht nur deshalb müssen wir in den nächsten 15 Jahren unsere Systeme neu erfinden“, betont Prof. Dirk Helbing und nennt dafür zwei Gründe: „Viele Tätigkeiten werden von künstlicher Intelligenz und Robotern übernommen und wir brauchen dringend eine nachhaltige Wirtschaft. Diese Szenarien sind erschreckend: Entweder man lässt Menschen verarmen, die dann weniger konsumieren oder aber wir enden in einer digitalen Diktatur, die uns die Ressourcen zuweist und entscheidet, was uns zusteht und was nicht.“
Es gilt also das Nachhaltigkeitsproblem zu lösen: Dazu gehört zum Beispiel der ökosoziale Umbau, Innovationen, ein verändertes Geld-Finanz-und Wirtschaftssystem, eine gesellschaftliche Organisation im partizipativen Sinne, damit wir die Aufgaben bewältigen können. Das heißt, dass die Zivilgesellschaft befähigt werden muss, nach innovativen Lösungen zu suchen und sie umzusetzen. Wir brauchen Anreizsysteme wie Städteolympiaden, in denen Städte rund um die Welt regelmäßig um die besten umweltfreundlichen, energieeffizienten, ressourcenschonenden und krisenfesten Lösungen konkurrieren würden.
D2030 – eine dauerhafte Stimme in Deutschland
„Wir haben noch nicht realisiert, dass wir ein völlig anderes Denken brauchen, um zukunftsrobust zu werden“, betonte Helbing. Die Aufbruchstimmung, die bei der Zukunftskonferenz spürbar war, ist notwendig, um die offene, lern- und zukunftsfähige Gesellschaft zu gestalten. Die Zukunft braucht D2030, braucht eine dauerhafte Stimme in Deutschland.