Wasserle: Wertewandel – gelungen!
Markus Wasserle wusste schon mit sieben Jahren, dass er später einmal seine eigene Firma führen will. Nach der Mittleren Reife erlernte er zuerst den Beruf des Landmaschinenmechanikers – naheliegend, denn er ist auf einer Landwirtschaft aufgewachsen. Bald schon war klar: es ist nicht das richtige. Während einem Aushilfsjob fand er seine Liebe zur Gebäudereinigung. Schnell wurde er befördert und konnte seinen Traum wahr machen: Er gründete die Gebäudereinigung Wasserle im Alter von 23 Jahren und mit 3000 Euro Startkapital – ohne Mitarbeitende. Ihm gelang der Aufbau des Unternehmens vom Ein-Mann-Betrieb hin zum innovativen Münchner Mittelständler mit mittlerweile 300 Kolleginnen und Kollegen. Sein Credo ist, Mitarbeiter zu Mitunternehmern zu entwickeln.
Die Gebäudereinigung Wasserle ist ein familienfreundlich und familiengeführt: Neben zwei Prokuristen arbeiten Markus Wasserle und seine Frau an den Geschicken der Firma. Die beiden wohnen zusammen mit ihren 5, bald 6 Kindern im gleichen Gebäude, in dem sich auch der Verwaltungssitz der beiden Unternehmen befindet.
Elita Wiegand sprach mit dem Unternehmer Markus Wasserle.
Sie sind Inhaber einer Münchner Reinigungsfirma. Nun ist die Gebäudereinigung eine Branche, die viele Nationalitäten beschäftigt, viele ohne Ausbildung, Reinigungskräfte, die in der Stunde einen Euro mehr als den Mindestlohn verdienen. Worin bestehen für Sie die Herausforderungen gute Mitarbeiter zu finden und zu halten?
Markus Wasserle: In unserer Firma sind 26 Nationalitäten vertreten. Sie kommen zu uns, weil man in der Gebäudereinigung mit relativ geringen Sprachkenntnissen starten kann. Das wird von vielen als Möglichkeit gesehen, in unserem Land anzukommen, sich weiterzuentwickeln und erst einmal Geld zu verdienen, um vielleicht später in den eigenen Beruf zurückzukehren. Ich will ihnen dabei helfen, bei uns etwas aufzubauen. Wir finden gute Mitarbeiter, weil wir inzwischen dafür bekannt sind, dass wir auch etwas tun. Bei uns gibt es Fahrtkostenzuschüsse, Deutschkurse, Frühstück oder ein kostenloses Bankkonto. Wir veranstalten Feste in der Firma und Ausflüge – und bieten Weiterbildung an. Über Empfehlungen und Mundpropaganda ist es inzwischen für uns einfacher geworden, gute Mitarbeiter zu finden.
Nun hat Ihre Branche kein so gutes Image und wird oft wegen der schlechten Arbeitsbedingungen kritisiert. Warum sind Sie als sozialer Arbeitgeber bekannt?
Markus Wasserle: Mein Ziel ist es mit meiner Firma auch, das Image der Branche positiv zu ändern. So ist es für mich ein Gebot der Menschlichkeit, dass man auch in einem Unternehmen aufeinander schaut und sich unterstützt und ich bin der Meinung, dass man als Unternehmer Hilfe zur Selbsthilfe leisten muss. Ein Beispiel: Die meisten Mitarbeiter, die bei uns beschäftigt sind, erhalten wegen ihrer Nationalität eine negative Bewertung von Banken. Das soziale Engagement besteht für mich darin, dass ich ihnen einen Kredit gewähre, wenn sie die zum Beispiel für die Kaution einer Wohnung benötigen.
Nun vermieten Sie sogar Wohnungen an Ihre Mitarbeiter – wie das?
Markus Wasserle: Vor einigen Jahren habe ich ein Arbeiterwohnheim in der Nähe von München besucht. Dort wohnte ein Mitarbeiter von uns. Als ich die Zustände gesehen habe, ist in mir der Wunsch gereift, eigene Wohnungen anzubieten. Inzwischen haben wir für unsere Belegschaft drei Häuser und sieben Wohnungen angemietet. Wir möblieren die Wohnungen und vermieten sie als Werkswohnungen.Wir haben immer einige Plätze für Notfälle frei. Wenn zum Beispiel jemand von Obdachlosigkeit bedroht ist, was zunehmend mehr passiert oder es kommt jemand kurzfristig aus dem Ausland, der eine Wohnung braucht, sind wir da! Doch wir müssen auch bis zu 20.000 Euro draufzahlen, weil die Mieten gering und nicht kostendeckend sind, aber ich will selbst bei einem Minus nicht mehr verlangen.
Sie sind auch ein Gipfelstürmer. Warum haben Sie eine Kletterhalle eröffnet?
Markus Wasserle: Die Kletterhalle habe ich nicht nur für die Belegschaft gebaut. Die regionale Sektion des Deutschen Alpenvereins (DAV) wollte eine Halle, aber letztlich habe ich Kletterhalle finanziert und betreibe sie, aber der DAV verpflichtete sich für 20 Jahre die Halle für alle Kurse zu nutzen. Für unsere Mitarbeiter ist es ein zusätzliches Angebot sich fit zu halten, um die anspruchsvoll körperliche Arbeit zu leisten. In der Halle gibt es eine Industriekletterschule und dort rekrutieren wir sogar auch neue Mitarbeiter für die Fassadenreinigung.
Ihr Branche ist hart umkämpft. Um innovativ zu bleiben, schauen Sie über den Tellerrand und besuchen regelmäßig Amerika und zuletzt waren Sie in China. Mit welchen Erkenntnissen sind Sie zurückgekommen?
Markus Wasserle: Wir nennen unsere Besuche in Amerika oder China Inspirationsreisen, um uns dort über künftige Entwicklungen zu informieren. Meine Erkenntnisse aus Amerika und China: Wir müssen in Deutschland aufpassen, dass wir nicht abgehängt werden. Um den Anschluss nicht zu verpassen, müssen wir in unseren Innovationsprozessen schneller werden, agiler arbeiten und auch Neues probieren, in dem wir den Arbeitgeber oder gar die Branche wechseln. Dieses Mindset ist in anderen Kulturen normal und muss sich bei uns ein Stück weit etablieren, weil es erforderlich sein wird, dass wir uns weiterentwickeln und dazu lernen, um für den Wandel fit zu sein. In unserer Branche wird sich einiges ändern. Die Gebäudereinigung wird sich mehr nach dem Bedarf ausrichten: Wo viel Bewegung ist, entsteht tendenziell mehr Schmutz, wo weniger Bewegung ist, kann ich längere und kürzere Reinigungszyklen ansetzen. Die Arbeitskraft wird also dort eingesetzt, wo sie wirklich gebraucht wird. Roboter sind die Zukunft und werden uns Arbeit abnehmen. Wir müssen künftig definieren, welche Arbeit für Menschen sinnvoll ist. In unserer Branche gibt es bis zu 600.0000 Beschäftigte. Doch künftig werden weniger Menschen zum Einsatz kommen und Roboter werden die schwere Arbeit von Menschen unterstützen und sinnvoll ergänzen.
Roboter werden auch Ihre Branche verändern – wie sehen Sie die Zukunft?
Markus Wasserle: Die Zukunft sehe ich positiv, wenn wir uns nicht auf dem ausruhen, was wir haben. Zum Beispiel beneiden uns viele andere Nationen um die duale Ausbildung, die wir weiter ausbauen müssen. Wir brauchen eine Flexibilität im Denken. Noch ist nichts verloren, aber vor uns liegen Herausforderungen, die wir meistern müssen. Und wir brauchen auch eine Politik, die Menschen wieder mitnimmt und Visionen entwickelt, ohne Angst zu machen. Ich bin auch Kreis-Chef der SPD in Landsberg und dort als Unternehmer ein Exot, weil für mich die Transformation angekommen ist. In Zukunft braucht es eine Politik, die den Menschen in unsicheren Zeiten ein Zusammengehörigkeitsgefühl, eine Vision und den Aufbruch vermittelt – und den Mut auch unangenehme Wahrheiten auszusprechen Um die Demokratie zu erhalten, kann ich nur jedem empfehlen sich in der Partei zu engagieren – das ist für einen Demokraten fast Pflicht.