Mit Achtsamkeit in Führung – was Meditation Unternehmern bringt
Von Paul J. Kohtes
Längst illustriert die wissenschaftliche Forschung eindrucksvoll, wie Meditation über ihren Entstehungskontext innerhalb der spirituellen Traditionen der Weltkulturen hinaus auch in ganz pragmatischen Kontexten bedeutsam ist und Wirkung entfaltet: als Methode des Stressmanagements oder der Entspannung, als Weg der persönlichen Entfaltung, als Möglichkeit, das gesundheitliche Wohlbefinden zu fördern. Und als Chance, der Komplexität des Business mit neuen Blickwinkeln zu begegnen.
Hochrangige Manager bekennen sich Meditierende
Inzwischen bekennen sich selbst hochrangige Manager wie Norbert Reithofer (BMW) und Peter Terium (RWE) öffentlich als Meditierende. Meditation ist offensichtlich bei den Spitzen der Wirtschaft angekommen. Und immer mehr Unternehmen versuchen, die Perspektive der Achtsamkeit im Arbeitsalltag zu etablieren – nicht als neue „Methode“, die alles irgendwie schon richten wird, sondern als Lernprozess, der es erlaubt, mit mehr Freiheit bestehende Herausforderungen anzunehmen und das, was ist, bewusster zu gestalten.
Potenziale eröffnen anstatt Ergebnisse zu erzwingen.
Bewusste Auszeit
Im Prinzip ist kaum etwas einfacher als zu meditieren. Man nimmt eine sitzende, aufrechte Körperhaltung ein, schließt die Augen und tut – nichts. Doch dieses Nichts hat es in sich. Absichtslosigkeit und Loslassen, die den Kern jeder Achtsamkeitsübung bilden, scheinen der Ergebnislogik des Business entgegenzustehen. Gerade engagierte Menschen tun sich bisweilen schwer damit, so dass es für sie hilfreich sein kann, in Form einer Art bewussten Auszeit erste Erfahrungen mit der meditativen Praxis zu sammeln. Das von mir 2008 gemeinsam mit der niederländischen Managementberaterin und Zen-Lehrerin Brigitte van Baren ins Leben gerufene Programm „Zen for Leadership“ beispielsweise führt Manager in die Zen-Meditation ein und geht auf spezielle Fragen des Führungs- und Berufsalltags ein. Beim Sitzen in Stille, das während der Kurse mehrere Stunden am Tag praktiziert wird, erfahren viele Teilnehmer zum ersten Mal seit langem eine Realitätsdimension jenseits des gewohnten Aktivismus und des permanenten Reagierens. In dieser Seinserfahrung wird vielen bewusst, wie häufig sie sich von äußeren Impulsen antreiben lassen, ohne dessen gewahr zu sein. Und genau diese Erkenntnis eröffnet im Alltag neue Handlungsalternativen.
Erhöhte Aufmerksamkeit oder auch eine verringerte Stressresonanz lassen sich zwar nicht erzwingen, stellen sich jedoch bei den meisten Menschen relativ verlässlich ein, wenn sie regelmäßig Achtsamkeitsübungen praktizieren. Und diese man könnte sagen Sekundärwirkung des Meditierens kann in den unterschiedlichsten beruflichen Kontexten positive Wirkungen entfalten, wie die folgenden Beispiele zeigen.
Resilienztraining für Führungskräfte bei PUMA
Die Sportmarke PUMA hat speziell für Führungskräfte ein Resilienzprogramm aufgesetzt, das Managern Wege aufzeigt, die Grenzen der eigenen Belastbarkeit zu erkennen und zu wahren und Führungsstile zu entwickeln, die die Integrität der gesundheitlichen und psychosozialen Befindlichkeit der Mitarbeiter unterstützen. In dem zweitägigen Training geht es darum, die innere Stärke und Widerstandskraft sowie die Anpassungsfähigkeit an Veränderungen zu fördern. Auf Basis der Erstellung eines eigenen Resilienz-Profils lernen die Führungskräfte, die eigene Steuerungsfähigkeit im Berufsalltag zu verbessern, um zu einer gesunden Selbstführung und einer gesunden Führung der Mitarbeiter zu finden. Anhand konkreter Situationen aus dem Business werden Herausforderungen identifiziert und Handlungsalternativen entwickelt.
Die Achtsamkeitsübungen erleichtern es, kognitive und emotionale Strategien zu erlernen, um mit ambivalenten Gefühlen wie Resignation und Zuversicht, Anspannung und Gelassenheit, souverän und angemessen umzugehen. Insgesamt trägt das Programm zu einer Sensibilisierung für mögliche Stressoren im Unternehmensalltag bei und befähigt die Führungskräfte, eine Führungskultur zu entwickeln, die den gesundheitlichen Ressourcen der Mitarbeiter Rechnung trägt. Sie entdecken durch die achtsame Erweiterung ihrer Wahrnehmung neue Potentiale, die, solange man sich von der Hektik des Tagesgeschäfts vereinnahmt fühlt, schlicht nicht bewusst werden.
Internationales Programm für Vertriebsmanager mit Achtsamkeitsmethoden.
Sales Leader Programm
Die Beratergruppe Neuwaldegg entwickelte für einen international operierenden Weltmarktführer der Chemiebranche mit 110.000 Mitarbeitern ein „Sales Leader Programm“ für Vertriebsmanager, das Achtsamkeitsmethoden nutzt. Im Zentrum der viertägigen Weiterbildung steht die Vertiefung der vier emotionalen Kernkompetenzen Selbst-Bewusstheit, Selbst-Management, soziale Bewusstheit und Beziehungs-Management. Achtsamkeit als Methode wird im Kurskontext als implizit wirksames und unterstützendes Tool eingebracht. Der Body Scan erleichtert dabei über eine objektive Körperwahrnehmung die Stärkung der Selbst-Bewusstheit und die Fokussierung der Aufmerksamkeit. Die Stärkung der „achtsamen Beobachter-Instanz“ öffnet den individuellen Fokus von der Selbstwahrnehmung zur empathischen Wahrnehmung des Gegenübers.
Emotionale Kompetenz stärken
Das Programm folgt wesentlich der unternehmensstrategischen Zielsetzung, die Verkaufs- und Führungsfähigkeiten der Vertriebsmitarbeiter durch die Erweiterung ihrer emotionalen Kompetenzen zu stärken. Es wird der Frage nachgegangen, wie Wahrnehmungsfilter auf die Führungspraxis wirken und wie sich der Fokus der eigenen Aufmerksamkeit steuern lässt. Außerdem vermittelt das Training, wie sich Verhaltensmuster wandeln lassen und wie Führungskräfte ihre Intuition schärfen können. Das Programm zeigt, dass Achtsamkeitsmethoden im Business die Wirkung bereits gängiger Tools gezielt verbessern können und darüber hinaus die Selbstwahrnehmung von Führenden und damit den Aspekt der Persönlichkeit in der Führung nachvollziehbar und erlebbar machen.
„Achtsamkeit im Arbeitsalltag“ – Modulares Allround-Training für Führungskräfte und Mitarbeiter
Das von der Kalapa Academy entwickelte und wissenschaftlich evaluierte Modellprojekt „Achtsamkeit im Arbeitsalltag“ vermittelt Methoden der Achtsamkeit im Kontext businesspraktischer Bezüge. Ziel ist es, Führungskräften und Mitarbeitern Wege aufzuzeigen, wie sie durch meditative Elemente konkrete Aufgaben im Geschäftsleben besser bewältigen können. Zu den Themen zählen – immer unter den Vorzeichen der Achtsamkeit – unter anderem der Umgang mit E-Mails, Gesprächsführung, Zeitmanagement, Emotionen, Feedback, Meetings und Entscheidungen.
In den wissenschaftlichen Tests zeigt sich, dass sich bei den Übenden im Kursverlauf die persönliche Anspannung und Stressbelastung deutlich gesenkt haben, ihre Konzentrationsfähigkeit gestiegen und ihre Fehlerrate beim kognitionspsychologischen Test um 25 Prozent zurückgegangen ist. Die Teilnehmenden erleben im Alltag deutlich weniger Sorgen und betrachten die täglichen Anforderungen ihres Berufs gelassener als vor dem Kurs.
Anfängergeist
Die dargestellten Beispiele zeigen eindrucksvoll, wie vielfältig sich Meditation und Achtsamkeit im Unternehmenskontext einbringen lassen, um vermeintlich Bekanntem aus einer erweiterten Bewusstheit heraus zu begegnen. Menschen, die bewusst und achtsam in ihrem Arbeitsumfeld aktiv sind, entwickeln mit ein wenig Übung einen „Anfängergeist“, der sie alles, was ist, unvoreingenommen wahrnehmen lässt. Und diese Offenheit ist es, die es möglich macht, dass sich das Potenzial, das in Führungskräften und Mitarbeitern schlummert, in seiner ganzen Fülle entfalten kann. Möge die Übung gelingen.
Der Autor: Paul J. Kohtes ist Gründer von Europas heute umsatzstärkster PR-Agentur Kohtes Klewes (heute Ketchum Pleon) in Düsseldorf. Vor 30 Jahren entdeckte er die Zen-Meditation für sich und leitet heute Seminare zu „Zen for Leadership“ und coacht Führungskräfte. Links: www.identityfoundation.de und www.meditation-wissenschaft.org.
Buch-Tipp:
Mit Achtsamkeit in Führung – Was Meditation für Unternehmen bringt. Grundlagen, wissenschaftliche Erkenntnisse, Best Practices von Paul J. Kohtes / Nadja Rosmann, 276 Seiten, Klett-Cotta, 2014, ISBN 978-3-608-94865-3,