Neues Denken und Tun statt Abschwung
Umsetzungsstarke Menschen gestalten die Veränderung
von Elmar Lesch und Ralf Koschinski*
Es ist bereits allerorten spürbar: das Ende des Aufschwungs. Das Schreckgespenst der Rezession geistert unheilvoll am Horizont und in den Köpfen der Verantwortlichen. Konjunkturprogramme werden gebastelt, um eine Abwärtsbewegung zu verhindern und die wirtschaftlichen Ziele möglichst unbeschadet zu erreichen. Nach der Devise „Jetzt erst recht“ werden neue Ideen geboren. Für deren Gelingen ist eine schnelle Umsetzung entscheidend. Mit Menschen, die motiviert sind und sich motivieren lassen. Mit Führungskräften und Mitarbeitern, die die Veränderung als Chance sehen, diese durch ihre Beteiligung positiv zu formen. Mit einem neuen Denken und Tun.
Veränderungen verlangen Veränderungen. Unternehmen, die trotz sich abzeichnender Rezession weitermachen wie bisher, werden über kurz oder lang die Folgen ihres Verharrens im Gewohnten zu spüren bekommen. Aber auch Ideen zur Neuausrichtung sind zum Scheitern verurteilt, werden diese nicht aus Überzeugung umgesetzt. Unternehmer, Führungskräfte und Projektleiter sind gefordert. Indem sie ihr eigenes bisheriges Handeln hinterfragen und bereit sind, aus den Antworten daraus auch ihr Führungsverhalten neu auszurichten, können sich neue Chancen eröffnen. Indem sie ihre Mitarbeiter „abholen“. Denn führen heißt auch, die Menschen im Umfeld mitzunehmen und zu begeistern. Die altbewährte Führungskraft wird zum Führungscoach, der sein Team flexibel in kleinen Schritten zur Zielerreichung unterstützt und coacht.
Verkehrte Welt? Führungskräfte als Auftragnehmer der Mitarbeiter
Eine innovative Möglichkeit Mitarbeiter zu motivieren ist es, die Rollen zu vertauschen. Führungskräfte werden zu Auftragnehmern ihrer Mitarbeiter. Es gehört schon eine Portion Mut dazu, diesen Paradigmenwechsel zu wagen und vom Auftraggeber in die Rolle des Auftragnehmers zu schlüpfen. Als Dienstleister seiner Mitarbeiter setzt sich die Führungskraft damit den Hut eines Coachs auf. Er führt nicht mehr direktiv und per Anweisung, sondern steht dem Mitarbeiter Rat gebend, unterstützend und coachend zur Seite. Eine erste Auftragsklärung, unter welchen Voraussetzungen die veränderte Führungsarbeit ablaufen soll, ist die Bedingung für das Funktionieren dieser Konstellation. Die Mitarbeiter bzw. das Team werden gefragt: Was genau wollt ihr? Was erwartet ihr von mir als eurem Coach? Welche Entwicklungen sind euch wichtig? Im Prinzip sind das ähnliche Fragen wie im Gespräch mit einem Kunden, Einkäufer oder Auftraggeber, bei dem es darum geht, den größtmöglichen Nutzen stiften zu wollen.
Die „dienende“ Haltung der Führungskraft gegenüber den Mitarbeitern setzt ungewohnte Energien und Umsetzungskräfte frei, die im „normalen“ Verhältnis zueinander nicht aktiviert sind, sondern erst durch die vertauschten Positionen möglich werden. Eine ausführliche Kommunikation mit den Mitarbeitern bildet die Basis für die Arbeit der Führungskraft als Auftragnehmer und Coach. Besondere Bedeutung kommt dabei den Feedbackgesprächen zu. Auch hier findet eine Umkehrung statt. Nicht allein die Führungskraft gibt dem Mitarbeiter Feedback, sondern auch die Mitarbeiter der Führungskraft. So ist das Feedback keine Einbahnstraße, sondern die Rückmeldungen verlaufen in beide Richtungen und nehmen produktiv Einfluss auf die Arbeit aller Beteiligten. Wie die Arbeit des Coaches noch besser werden kann, kommt dabei ebenso zur Sprache wie die berufliche und persönliche Weiterentwicklung der einzelnen Mitarbeiter. Dieser Führungsansatz erfordert ein grundlegendes Umdenken und ist nicht von heute auf morgen zu leisten. Doch lohnt es sich, den Versuch zu wagen und mit ehrlichem Willen und etwas Training in die neue Rolle hineinzuwachsen.
Was treibt Mitarbeiter wirklich an?
Werteorientierung predigen viele. Ohne jedoch zu wissen, welche Werte für die Mitarbeiter von Bedeutung sind. Wer aber werteorientiert führen möchte, sollte die Kernwerte der Menschen, mit denen gemeinsam Unternehmensziele erreicht werden sollen, kennen. In der Regel sind diese höchst unterschiedlich. Die Digital Natives werden von anderen Werten angetrieben als die Babyboomer, die neugierigen Berufseinsteiger von anderen Überzeugungen als die vielleicht saturierten Endfünfziger. Und in jeder Gruppe gibt es wiederum Unterschiede. Nicht alle Angehörigen einer Generation ticken gleich oder auch nur ähnlich. In der Vielfalt schlummert das Potential, das es zu wecken und nutzen gilt. Alle Mitarbeiter über einen Kamm zu führen und motivieren zu wollen, erreicht das Gegenteil: Es fördert die Demotivation.
Ein sogenanntes Wertemeeting hilft, den Kernwerten des gesamten Teams auf die Spur zu kommen. Jeder Mitarbeiter formuliert seine fünf wichtigsten Werte und die drei größten Unwerte, die er vehement ablehnt. Eine vorbereitete Liste dient der Inspiration und erleichtert die Auswahl. Selbstverständlich ist auch die Führungskraft selbst in diesen Prozess eingebunden. Auch muss diese Werteformulierung in Zusammenhang mit den Unternehmenszielen stehen. In einer gemeinsamen Auswertung und Diskussion lassen sich aus der Vielzahl an Werten durch Priorisieren, Auswählen und Ausschließen die wichtigsten ableiten. Dies wird dazu führen, dass sich Mitarbeiter und Führungskraft im Konsens von alten Werten verabschieden und neue hinzufügen. Aus dieser Werteliste kristallisieren sich schließlich Schlüsselwerte heraus: Der Wertekanon, hinter dem alle stehen können und der alle antreibt. Führungsleitlinien und Führungsprinzipien können auf dieser Grundlage formuliert und die Kernwerte des Teams in der Unternehmensphilosophie verankert werden.
Wieder gilt: Werteorientiertes Management ist ein Prozess. Das Wertemeeting sollte regelmäßig wiederholt, die Wertedebatte kontinuierlich fortgesetzt werden. Auch muss zum Gelingen der Wertekanon mit der Unternehmensrealität verknüpft werden. Der Wert „Mut“ wird in die Anforderung „Fehlerkultur“ übersetzt. Mut bedeutet im Unternehmenszusammenhang „konstruktiv mit Fehlern umgehen“ und als Managementprinzip zum Beispiel eine Dezentralisierung von Verantwortung und den Abbau von Hierarchien.
Nicht viel reden, besser viel sagen
Mitarbeiter stärker in Prozesse und die Verantwortung einbeziehen, entbindet eine Führungskraft nicht von ihrer Verpflichtung gegenüber den Unternehmenszielen. Um diese zu erreichen, ist es gerade bei anstehenden Veränderungen entscheidend, das Team von Anfang an zu motivieren und einzubinden. Informative Transparenz ist zur Überzeugung der Mitarbeiter wichtig. Die 4K-Statementtechnik hilft, nicht drum herumzureden, sondern präzise, anschaulich, konkret und umsetzungsorientiert zu sagen, was Sache ist.
Eine klar formulierte Kernbotschaft wird mit rationalem und emotionalem Nutzen verbunden, welche die Mitarbeiter überzeugen. Diese wollen wissen, worum es geht und wohin sie der neue Change-Wind führen wird. Dazu ist es notwendig, zu konkretisieren, was das neue Ziel genau bedeutet. Was es für die Mitarbeiter im Detail mit sich bringt, für ihre Arbeitsplätze, für ihre Aktivitäten, für sie persönlich. Auch negative Aspekte und mögliche Stolpersteine werden thematisiert. Auf mögliche Widerstände gut argumentativ vorbereitet, können Bedenken frühzeitig ausgeräumt werden. Damit sich niemand „überfahren“ fühlt, ist es wichtig, auf die individuellen Werte- und Emotionssysteme der Mitarbeiter einzugehen. Auch der übergreifende Kontext muss erkennbar und nachvollziehbar sein. Warum ist das neue Ziel für das Unternehmen, die Abteilung, die Mitarbeiter so wichtig? Die positiven Folgen der Veränderung lassen sich mit den Mitarbeitererwartungen verknüpfen, z. B. „Wir schaffen/sichern damit Ihre Arbeitsplätze, an denen Sie Ihre Kompetenzen optimal einsetzen können.“ Die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit der Veränderung wird deutlich dargestellt, insbesondere das emotionale Warum. Jeder Mitarbeiter muss spüren, dass es sich für ihn lohnt, sich für die Veränderung zu engagieren. Indem Konsequenzen konkret aufgezeigt werden, haben sie die Möglichkeit, sich mit dem Projektziel zu identifizieren und sich dafür zu engagieren.
Veränderungen aktiv gestalten
Werden Veränderungen aktiv gestaltet, stellen sie keine Bedrohung dar. Vielmehr birgt sich in ihnen eine Chance für neues Denken und Tun. Führungskräfte, die als agile Führungscoachs ihre Mitarbeiter wertschätzend motivieren und anerkannte Mitarbeiter, die in ihrem Tun einen Sinn sehen, können gemeinsam viel bewegen und neue Ideen erfolgreich umsetzen. Für sie ist ein Umbruch nur eine neue Herausforderung, die mit offener Kommunikation und ehrlichem Engagement neue Perspektiven eröffnet – ganz nach dem Motto: Umsetzen statt scheitern.
Die 8A-Umsetzungsmethode in Kurzform
Erfolgt kein klarer, transparenter und messbarer Auftrag ist die Gefahr groß, auf den falschen Kurs zu kommen und so kein optimales Ergebnis zu erreichen. Die Analyse hat eine entscheidende Bedeutung hinsichtlich der Auswahl und Führung des Ergebnisteams für die Umsetzung. Erst mit der Adresse werden Betroffene zu Beteiligten gemacht. Aktivität ist die Erarbeitung des Ablauf- und Terminplans zur effektiven und effizienten Umsetzung. Projekte und neue Aufgaben benötigen Antrieb. Die Aktivierung der individuellen Treiber aller beteiligten Mitarbeiter gibt die nötige Startmotivation. Bei Ausführung wird mit dem Mitarbeiter gemeinsam entschieden, inwieweit Kompetenzen vorhanden sind, entwickelt oder delegiert werden. Ausrichtung bedeutet, durch die Bündelung der Kräfte aller Beteiligter, Ressourcen und Aktivitäten erfolgreich auf das gemeinsam vereinbarte und angestrebte Ziel hinzunavigieren. Automatisierung ist ein vom Ergebnisteam selbsttätig geregelter Umsetzungsprozess der vorherigen Phasen. Die Verantwortung zur Selbststeuerung wird so gelebt und eine dauerhafte Umsetzung sichergestellt.
Foto: Pixabay (change-948024_1920_pixabay.jpg)