Handwerk und Werte – das passt!
Andreas Keller ist Berater der Wuppertaler Stellschrauben UG. Das Unternehmen beschäftigt sich im Karosserie- und Lackier-Handwerk mit den Themen Strategie, Prozesse und Kultur, analysiert die Betriebsabläufe, unterstützt beim Projektmanagement und hat sich auf den Wertewandel im Handwerk spezialisiert.
Doch wie sieht es mit der Wertekultur im Handwerk aus? Dazu hat Elita Wiegand ein Interview mit Andreas Keller geführt.
Beim Handwerk denkt man nicht direkt an eine Wertekultur. Warum haben sich auf den Wertewandel in Handwerksunternehmen spezialisiert?
Andreas Keller: Ich habe die letzten 27 Jahre in der Industrie im Außendienst gearbeitet und immer wieder festgestellt, dass sich viele Handwerksbetriebe lediglich an Kennzahlen konzentrieren. Natürlich verlangen die organisatorischen und gesetzlichen Anforderungen eine große Aufmerksamkeit, schlucken viel Energie, kosten Zeit und Kraft. Die Inhaber bewegen sich oft in einem Hamsterrad. Da bleibt die Führung auf der Strecke. Die Leidtragenden sind die Mitarbeiter, denn der Chef missachtet die Bedürfnisse der Mitarbeiter, verliert den direkten Kontakt und weiß nicht, was ihnen am Herzen liegt.
Das Szenario klingt nicht gerade ermutigend. Doch was verändert sich durch eine Wertekultur in Handwerksbetrieben?
Andreas Keller: Werte verändern vieles positiv. Sie bieten zum Beispiel eine Entscheidungs- und Handlungsorientierung für die Mitarbeiter. Sie fördern das Vertrauen, die Motivation und sie fördern die Loyalität der Mitarbeiter. Wer im Betrieb Wertschätzung erlebt, identifiziert sich mit dem Unternehmen. Werte im Unternehmen strahlen nicht nur auf die Mitarbeiter und den Zusammenhalt ab, sondern werden auch von Kunden wahrgenommen und verbessern das Firmenimage.
Typische Werte sind zum Beispiel: Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortung, Vertrauen, Qualität… das ließe sich beliebig fortsetzen. Werte, die für das Handwerk eine große Rolle spielen, nach innen und nach außen.
Sie sind viel in Handwerksbetrieben unterwegs. Was erleben Sie in der Praxis?
Andreas Keller: An dieser Stelle habe ich ein positives und ein negatives Beispiel. Kürzlich habe ich den Inhaber eines Handwerksbetriebes besucht, der kein Personal mehr findet. Wer allerdings erlebt, wie dieser Unternehmens-Chef mit Lieferanten und Mitarbeitern umgeht, der wundert sich nicht, dass er sich über Personalmangel beklagt. Mittlerweile wissen sogar die Mitbewerber in seiner Region von dieser Situation. Ein Mitarbeiter, die bei ihm angeheuert hatte, da er mehr Gehalt geboten hat, kehrte kurze Zeit später reumütig in seinen alten Betrieb zurück.
Ein positives Beispiel ist ein Handwerksmeister, der sich mit seinen Auszubildenden für ein Wochenende zu einem Teammeeting in eine Jugendherberge zurückgezogen hat. Nach dem Motto „Raus aus der Komfortzone“ denn da wächst man und entwickelt seine eigene Persönlichkeit.
Er will damit auch mehr Vertrauen und Wertschätzung zu seinen Nachwuchskräften aufbauen. Für den Berufsalltag verspricht er sich dadurch einen offeneren Umgang und mehr Selbstvertrauen von den jungen Mitarbeitern und auch eine Verbesserung der Fehlerkultur. Fehler können gemacht werden, wenn man etwas daraus lernen kann und sie nicht vertuscht.
Nun kann man Werte nicht einfach „verschreiben“, es setzt einen längeren Prozess voraus. Was sind die Schritte dazu?
Andreas Keller: Die Zeiten als Chef morgens das Unternehmen betritt, ohne seine Mitarbeiter zu beachten, sind vorbei. Dem Inhaber des Betriebes muss klar sein, dass er für seine Mitarbeiter mehr Achtsamkeit aufbringen und mehr Zeit für die Führung als bisher investieren muss. Wichtig ist auch, dass der Firmenchef seinen Mitarbeitern auch den Sinn und die Bedeutung der Aufgaben verständlich vermittelt. Dieses Investment zahlt sich am Ende in jedem Fall für einen Handwerksbetrieb aus, der an der richtigen Stelle investiert und an den richtigen Stellschrauben dreht.
Was ist Ihre Vision für den Handwerksbetrieb der Zukunft?
Handwerk, Kunden und Mitarbeiter müssen sich in den nächsten Jahren auf Veränderungen einstellen. Die Babyboomer, die „gelebt haben um zu arbeiten“, gehen bald in Rente. Prognosen zeigen, dass uns bis zum Jahr 2030 knapp zehn Millionen Fachkräfte fehlen. Mitarbeiter haben heute völlig andere Ziele: Die Arbeit muss Spaß machen, einen Sinn haben und sie mit Zufriedenheit erfüllen.
Wir sind eine heute eine Wissensgesellschaft und die Mitarbeiter wollen sich einbringen, mitmachen, mit entscheiden und mitgestalten. Ich wünsche mir flache Hierarchien, in die die Mitarbeiter ihre Fähigkeiten, ihre Erfahrungen und Meinungen einbringen können. Mein Tipp: Bilden Sie aus ihren Mitarbeitern ein Netzwerk von Spezialisten.
Wir brauchen in Zukunft Betriebe, die mit ihren Mitarbeitern gemeinsam Werte und Rituale entwickeln. Der Mitarbeiter muss erkennen können, welchen Sinn und welche Bedeutung seine Aufgabe und sein handwerkliches Können hat.
Ich wünsche mir für die Mitarbeiter mehr Wertschätzung, Respekt, Aufmerksamkeit, Toleranz und Empathie. Diese Mitarbeiter werden zufriedener in ihrem Job sein und das wirkt sich positiv auf das Gesamtunternehmen aus.