Ein Interview mit dem Autor und Schöpfer des Begriffs „German Kaufmann“, Dr. Marcus Disselkamp
„German Kaufmann“. Das klingt nach einem weiteren Modewort in der Business-Sprache. Was steckt dahinter?
Marcus Disselkamp: Die Wortschöpfung „German Kaufmann“ soll ganz bewusst zu Diskussionen anregen. Der Begriff entstand während einer Podiumsdiskussion einer namhaften deutschen Universität, bei welcher ausschließlich US-amerikanische Unternehmen als Beispiele und Vorbilder für erfolgreiche Unternehmen aufgeführt wurden. Verärgert erfand ich da den Begriff „German Kaufmann“ als Verweis auf die vielen erfolgreichen deutschen Mittelständler. Die Wortwahl „German Kaufmann“ steht als Symbiose für zwei zentrale Phänomene der deutschen Wirtschaft: den vom Ausland regelmäßig titulierten „German Mittelstand“ und unserem definierten „ehrbaren Kaufmann“.
Der „German Mittelstand“ sei im Ausland besonders anerkannt ist, sagen Sie. Wie belegen Sie die These?
Marcus Disselkamp: Für die englische Zeitung Newsweek hat der deutsche Mittelstand sogar viel mit dem FC Bayern gemeinsam. Denn nach dem Motto „spot a problem – analyse it – solve it“ würde nicht nur der Fußballklub regelmäßig deutscher Meister werden und acht seiner Spieler gar 2014 Weltmeister, sondern viele deutsche mittelständischen Unternehmen Weltmarktführer („Exportweltmeister“) und Vorbild für viele ihrer Wettbewerber. Während andere Probleme als unlösbare Barrieren sehen, analysieren und verstehen der FC Bayern sowie der deutsche Mittelstand seine Herausforderungen, um sie mit pragmatischen und innovativen Lösungen zu überwinden. Deshalb hängt laut Newsweek die englische Industrie immer noch „nostalgisch“ an ihren tradierten Produktionsmethoden, während Deutschland vor allem dank seines „Mittelstands“ den Weg zu Serviceunternehmen gefunden hätte.
Sie berufen sich auf einen Artikel in der Newsweek. Wie sieht es mit anderen Medien im Ausland aus?
Marcus Disselkamp: Nicht nur die englische Zeitung Newsweek schreibt immer wieder über den „German Mittelstand“. Ob im englischen Economist,The Guardian und der Financial Times, dem französischen L’Express, Le Figaro und Le Monde, der nationalen spanischen Tageszeitung El Pais, ob Bloomberg oder Harvard Business Review, sie alle verwenden seit mehreren Jahren den Begriff „German Mittelstand“. Internationale Medien wissen, wie deutsche Familienunternehmen profitabel wirtschaften.
Trotzdem: Warum die wörtliche Verbindung zum „Ehrbaren Kaufmann“?
Marcus Disselkamp: Mit der Wortergänzung „Kaufmann“ (bzw. „Kauffrau“) kommt der Fokus auf die zentrale Personengruppe, die zusammen mit allen Mitarbeitern hinter dem besonderen Erfolg des Mittelstands stehen: den operativen Gesellschaftern. Man könnte diese Personengruppe lediglich als „Unternehmer“ bezeichnen, doch findet sich in vielen familiengeführten Unternehmen ein weiteres Phänomen: dem des „ehrbaren Kaufmanns“. Getreu dem Motto „Ein Mann, ein Wort“, zeichnet sich ein ehrbarer Kaufmann als fair, verlässlich mit Handschlag Mentalität, weltoffen, freiheitlich orientiert sowie mit fundiertem kaufmännischen Urteilsvermögen aus. Oder Robert Bosch sagte treffend: „Die anständigste Art der Geschäftsführung ist auch die beständigste.“
Was genau ist eigentlich der „Ehrbare Kaufmann“?
Marcus Disselkamp: Es sind die langfristigen Unternehmensziele, die für den „Ehrbaren Kaufmann“ in den Vordergrund rücken, ohne dabei den Interessen der Gesellschaft zu schaden. Dieses Verhalten war über Jahrhunderte die einzige Garantie eines geordneten Geschäftslebens gegenüber den Risiken im internationalen Handel. Heute ist jedoch dieser „ehrbare“ Ansatz vor allem in größeren, rein von Managern geführten Konzernen in Vergessenheit geraten. Hier gilt eher das Motto „was interessiert mich meine Aussage von gestern“ oder noch schlimmer „ich wechsle ehedem in zwei Jahren wieder meinen Arbeitgeber“. Als Konsequenz zeigt sich oft ein egoistisches und rücksichtsloses Verhalten gegenüber Mitarbeitern, Lieferanten, Aktionären – und gegenüber der Umwelt. Somit sind „Mitarbeiterorientierung“ und „Kundenorientierung“ nur noch oberflächliche Pseudo-Ansätze. In diesen Unternehmen spielen Gewinnmaximierung und Profitdenken die größte Rolle.
Nun orientieren sich viele große Unternehmen an Managementmodellen. Auf einmal rückt zum Beispiel das Thema Nachhaltigkeit in den Vordergrund und man gewinnt oft den Eindruck, dass es sich um „Greenwash“ handelt. Wie verhält sich der „German Kaufmann“ im Vergleich?
Marcus Disselkamp: Familienunternehmer, also der „German Kaufmann“ benötigt keine (neuen) Managementmodelle wie zum Beispiel „Corporate Social Responsibility“ (CSR). Die Unternehmer wissen um ihre besondere gesellschaftliche Rolle und ihrer Verantwortung für die Mitarbeiter, Geschäftspartner und Kunden. Ihr Leitbild ist der Einklang vom individuellem Gewinn mit der Leistung für Unternehmen und Gesellschaft – gerade in Zeiten eines häufig negativen Unternehmerbildes in den Medien und generell der öffentlichen Meinung.
Warum gab es den Nährboden für ehrbare, mittelständische Unternehmer gerade in Deutschland?
Marcus Disselkamp: Das ist nun die spannendste Frage, die ich selbst nicht in Gänze beantworten kann. Viele Gründe beeinflussten und beeinflussen diese Entwicklung. Angefangen bei den christlichen Werten unserer Gesellschaft, der föderalen Entwicklung Deutschlands, den Konsequenzen aus den beiden Weltkriegen, unserer Sozial-, Wirtschaft- und Bildungspolitik aber besonders auch dem eigenen Verständnis vieler Unternehmerfamilien, ist es die erfolgreiche Mischung vieler Faktoren, die den Nährboden für den „German Kaufman“ und den „German Mittelstand“ bilden.
Mit dem Begriff „German Kaufmann“ bzw. die „German Kauffrau“ möchte ich eine Diskussion starten, die all die historischen und aktuellen Erfolgsfaktoren zu diesem Themenkomplex sammelt und analysiert. Zu betrachten wären dabei Aspekte wie die deutsche Reformation und Aufklärung, der historische und aktuelle Föderalismus, die Rolle der Politik seit 1945, die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretern, die Bedeutung der Verbände und Wirtschaftsorganisationen aber vor allem auch die Strukturen und Beziehungen innerhalb der Gesellschafterfamilien. Dies ist ein sehr breites und fakultätsübergreifendes Spektrum mit historischen betriebswirtschaftlichen Inhalten, aber auch Impulsen aus der Familienethik und Sozialwissenschaft.
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