Foto: Antje Heimsoeth

Den eigenen Selbstwert finden
Warum die Zeit reif ist für mehr Frauenpower

Es war ein Spruch, der Antje Heimsoeth dazu bewogen hat, ein Buch über Frauenpower zu schreiben. Genauer gesagt das Zitat „Geist macht Frauen alt“ von Friedrich Wilhelm Nietzsche. „Wie ich es drehe und wende, die Aussage kommt bei mir wie eine Anklage an. Alte Frauen braucht das Land nicht! Steckt doch in diesem ‚alt‘ keine respektierte und anerkannte Weisheit, sondern es schwingt eine Schwere, ein ablehnungswürdiger Zustand mit. Und schon gar keine Frauen mit Geist! Wenn ich mich in unserer Gesellschaft, in sozialen Medien oder der Wirtschaft umschaue, dann hat dieser Satz noch immer seine Gültigkeit. Frauen sollen möglichst jung und dynamisch sein, nicht unbedingt klug oder selbstständig denkende Wesen.“ Ihr Buch ist ein Gegenentwurf. Die zentrale Aussage lautet: „Geist macht Frauen stark!“ Wir sprachen mit der Autorin darüber, wie es Frauen heute schaffen, ihre mentale Stärke zu finden und auszubauen, wie sie – und das ist für Antje Heimsoeth der schönste Blick in die Zukunft – „ihren Selbstwert finden“.

Ein Interview mit Antje Heimsoeth.

Was wünschen Sie sich für die Frauen dieser Welt?

Antje Heimsoeth: Molière hat einmal gesagt „Ich liebe die gelehrten Frauen nicht.“ Bei mir ist das Gegenteil der Fall. Ich schätze Frauen, die Bildung und Wissen besitzen und die dieses Know-how auch kompetent und selbstbewusst einsetzen. Im Fokus steht für mich dabei die mentale Stärke. Ich weiß, dass sie Aufmerksamkeit und Achtsamkeit, Training und Abwechslung braucht, damit sie wächst und reift. Ein wacher Verstand, der Lebenserfahrung besitzt, kann sich bei seiner Vernunft, seinem Scharfsinn, seiner Empathie und Intuition bedienen. Eine Frau mit einer solchen mentalen und emotionalen Stärke weiß diese klug einzusetzen. Das ist mein größter Wunsch und getragen von diesem ist auch das Buch entstanden.

Warum tun sich Frauen Ihrer Meinung nach so schwer damit, Unsicherheiten abzulegen und ihr Potential voll auszuschöpfen?

Antje Heimsoeth: Sie haben oftmals einfach zu viele Blockaden und ein mangelndes Selbstvertrauen, weil sie sich ihrer Stärken nicht bewusst sind. Männer wissen: Nur wer an sich selbst glaubt, dem glauben und folgen auch andere Menschen. Nur wer sich selbst vertraut, dem vertrauen Kollegen, Partner oder der Chef. Sich selbst vertrauen heißt aber, auf seine Stärken zu bauen. Frauen richten ihren Fokus viel zu sehr auf Schwächen, Defizite und Misserfolge – ob im familiären Umfeld, im Business oder bezogen auf das eigene Selbstbild. Sie wissen ganz genau, was sie wann, wo und wie falsch gemacht haben und nehmen sich selbst – meistens sogar mehrmals – dafür auseinander. Dabei ist der Glaube an uns selbst und was wir können der entscheidende Faktor, von dem abhängt, ob wir erfolgreich sind mit dem was wir tun oder eben nicht.

Wer diese Kraftquelle anzapft, kann also Höchstleistung erbringen?

Antje Heimsoeth: Vollkommen richtig! Es kommt aber noch etwas Entscheidendes hinzu: Sich den eigenen positiven Talenten, Fähigkeiten und Stärken zu widmen, ist im besten Sinne förderlich. Darin begründet sich eine optimistische Sichtweise. Und die lässt uns besser mit Herausforderungen umgehen, weil wir uns ihnen stellen. Spannend ist in diesem Zusammenhang die gerade in der von Überlastung und Burnout betroffenen Gesellschaft oftmals vorherrschende Denkweise: Wenn ich mehr arbeite, bin ich erfolgreicher und wenn ich erfolgreicher bin, bin ich glücklicher. Doch so ist es nicht: Wir alle wissen, dass Erfolg zwar etwas Tolles ist, aber nicht zwingend glücklich macht. Albert Schweizer hat in diesem Zusammenhang einmal gesagt „Nicht Erfolg ist der Schlüssel zum Glück, sondern Glück ist der Schlüssel zum Erfolg. Wenn du gerne tust, was du tust, wirst du auch erfolgreich sein.“ Also appelliere ich an die Frauen, dafür zu sorgen, dass sie ihre Berufung finden, vor allem aber möglichst optimistisch sind und bleiben.

Und was hält Frauen davon ab?

Antje Heimsoeth: Einer der weiblichen Stolpersteine auf dem Weg an die Spitze ist der Wunsch, von allen geliebt zu werden und es möglichst vielen recht zu machen. Stets auf der Suche nach Anerkennung und Wertschätzung, geben Frauen alles – und manchmal sich selbst und ihre ursprünglichen Ziele dabei auf. Hinzu kommt, dass sich Dinge und Umstände heute rasant schnell verändern. Und obwohl Veränderung, neue Wege zu gehen, ein Zugewinn an Lebensqualität bedeuten kann, haben viele Frauen Angst davor. Wichtig ist zu wissen, Veränderung beginnt im Kopf. Um Neues kennenzulernen, gilt es, manchmal Altes loszulassen. Aber wir Menschen sind Festhalter. Wir halten an Prozessen, Gewohnheiten oder Beziehungen fest, weil wir meinen, bereits zu viel darin investiert zu haben. Genau das bremst jede Form von Entwicklung und Fortschritt. Wir müssen lernen, uns von Dingen zu verabschieden, die uns belasten. Loslassen, was es loszulassen gilt, und uns ausschließlich mit Dingen zu beschäftigen, die in unserem eigenen Einflussbereich liegen, auch mental. Damit schaffen wir Kapazitäten für unsere persönliche Weiterentwicklung und befreien uns von unnützem mentalen und emotionalen Ballast.

Und wie gelingt dies am besten?

Antje Heimsoeth: Unser Kopf funktioniert ähnlich wie ein Computer. Und einen Computer muss man programmieren, damit er im Ernstfall richtig funktioniert und das Programm richtig abläuft. Wer seinen Kopf bereits in Alltagssituationen richtig programmiert, kann in Stresssituationen automatisch ein funktionierendes unterstützendes Programm abrufen.

Gibt es ein Geheimnis glücklicher und erfolgreicher Frauen?  

Antje Heimsoeth: Ja, die gibt es tatsächlich! Erfolgreiche Frauen zeichnen sich, und das zeigen auch die zahlreichen Beispiele im Buch, durch mentale und emotionale Stärke aus. Sie fällen Entscheidungen über scheinbare innere und äußere Grenzen hinweg. Sie sind sich ihrer Fähigkeiten und Möglichkeiten bewusst und schöpfen diese voll aus. Sie haben den Mut und die Entschlossenheit, zu handeln statt zu hadern. Beispiele wie die Extremsportlerin Cathy O’Dowd, die 1999 als erste Frau den Mount Everest sowohl von der Nord- als auch von der Südseite bestieg, zeigen dies. Nach zwei Fehlversuchen bewies sie mit ihrer Erstbesteigung Mut, Durchhaltevermögen und ein hohes Verantwortungsbewusstsein. Sie hatte sich gut vorbereitet, schätzte Risiken richtig ein, verkraftete Rückschläge und wirtschaftete sorgfältig mit ihren Ressourcen. Diese Aspekte spielen nicht nur am Berg, sondern auch in den Fluren von Unternehmen eine entscheidende Rolle für den Erfolg.

Das ist ja nur eines von vielen Beispielen aus Ihrem Buch. Wie wichtig waren Ihnen die zum Teil sehr persönlichen Geschichten unterschiedlichster Frauen aus Sport und Wirtschaft? 

Antje Heimsoeth: Extrem wichtig! Die Leserinnen sollen erkennen, dass sich jeder Mensch – unabhängig von Herkunft, Ausbildung, Alter oder Fähigkeiten – mental zu Leistungen motivieren kann, die er vorher nicht für möglich gehalten hätte. Die Geschichten der Frauen zeigen, dass das Leben ein Auf und Nieder ist, immer wieder. Und am meisten lernen wir erfahrungsgemäß in den Tälern. Auf dem Gipfel sind wir eher resistent für Anregungen, Tipps und Feedback von außen. Für die eigene Weiterentwicklung brauchen wir sozusagen die Täler des Lebens. Wichtig ist, dort nicht hängen zu bleiben und aus den gemachten Fehlern zu lernen. Die Erkenntnisse aus der Fehleranalyse und Selbstreflexion verleihen uns dann den nötigen Schwung und Energie, um den nächsten Gipfel zu erklimmen.