Uwe Techt

Die eigene  Karriere fördern… und dabei sein Unternehmen zerstören

Erst vor wenigen Monaten hat der Manager eine neue Stelle angetreten und sich inzwischen gründlich eingearbeitet. Nun geht es darum, der Firma seinen Mehrwert unter Beweis zu stellen. Also schaut er sich um, was sich in seinem Team oder Bereich verbessern ließe und bei der Leistungsbewertung am Jahresende besonders gut aussähe. Es findet sich immer etwas, denn Verbesserungsinitiativen sind schließlich der Motor eines erfolgreichen Unternehmens! Und stehen auf dem Papier die richtigen Ergebnisse, um den Erfolg seines Bereiches zu belegen, dann steht der Gehaltserhöhung nichts mehr im Weg…

Was, wenn mein eigener Erfolg meinem Unternehmen schadet?

Manager werden durch Vorgaben und Kennzahlen – und das Versprechen einer positiven Bewertung – konstant dazu angehalten, um sich herum zu optimieren und zu verändern. Ja, dies ist sogar die Mindesterwartung. „Ich habe meinen Bereich erfolgreich und ohne größere Zwischenfälle durchs Jahr geführt“ reicht nicht aus für die ersehnte Beförderung. Damit dümpelt man allemal auf Jahre in der gleichen Position vor sich hin. Diese Motivation treibt viele gängige Verhaltensweisen beispielsweise in der Produktion an:

  1. Um seine Produktionsvorgaben noch zu erreichen oder zu übertreffen, fährt ein Werk seine Ergebnisse hoch, indem es seine Produktion vor Jahresabschluss dramatisch ankurbelt. Die hergestellten Produkte werden als Vermögen verbucht und sehen auf der Jahresendbilanz entsprechend gut aus.
  2. Ein Manager, der ein internes Profitcenter leitet, wird darauf aus sein, die Umsätze seines Bereiches zu maximieren. Dabei ist es meist rentabler, an externe Kunden zu verkaufen als an die eigene Produktionslinie, die Vorteilspreise bekommt.
  3. Kostenersparnisse sind meist einer der ersten Aspekte, die bei der Produktionsoptimierung unter die Lupe genommen werden. So lassen sich zum Beispiel im eigenen Bereich die Kosten drücken, indem verschiedene Bauteile extern billiger zugekauft werden oder günstigere Rohmaterialien benutzt werden, und so die Margen entsprechend erhöhen.
  4. Umstrukturierungen fallen ebenfalls oft in die Falle der lokalen Optimierung. Mitarbeiter, die „ähnliche“ Arbeit verrichten (Techniker, Programmierer…) werden gerne unter einem Vorgesetzten versammelt, um eine höhere Effizienz und ein „Streamlining“ der Prozesse zu erreichen.

Pikant ist dabei, dass dergleichen Veränderungen nicht selten von Managern vorgenommen und von ihren Nachfolgern wieder rückgängig gemacht werden – ein endloser Zyklus von Zentralisierung und Dezentralisierung zum Beispiel, der das Unternehmen Geld und Energie kostet, ohne langfristig irgendwelche Verbesserung zu erlangen. Doch bei der Beurteilung des einzelnen Managers finden sich die notwendigen und durchaus überzeugenden Begründungen, wieso die Veränderung notwendig oder positiv war.

Was dem Manager dient, muss der Firma nicht helfen

Das Problem derartiger Maßnahmen ist klar: Sie mögen die Ergebnisse seines Bereiches „frisieren“ und damit der Karriere des einzelnen Managers zuträglich sein, doch für das Unternehmen als Ganzes sind sie oft schädlich. Aus Sicht des Gesamtunternehmens sehen oben genannte Beispiele ganz anders aus:

  1. Die radikale Überproduktion vor Jahresende führt dazu, dass die Lagerhäuser gefüllt sind mit (Teil-)Produkten, für die es vorerst keine Verwendung gibt, die keinen garantierten Absatz haben und die die Liquidität des Unternehmens verringern. Zudem ist nun weniger Platz für potentielle Produkte anderer Bereiche, die möglicherweise eine weit höhere Nachfrage haben.
  2. Der Manager, der seine eigenen Profite maximiert, indem er internen Profitcentern Ware verweigert, tut das unvermeidlich auf Kosten anderer Bereiche, die nun möglicherweise unter Materialmangel leiden und nicht produzieren können. Haben diese Bereiche höhere Margen oder niedrigere Margen, aber höhere Verkaufspreise, werden dem Unternehmen höhere Profite vorenthalten, damit ein einzelner Bereich besser dasteht.
  3. Mit dem Zukauf externer Bauteile müssen die internen Gemeinkosten auf weniger Produkte verteilt werden und erhöhen sich damit pro Stück. Stattdessen werden durch den Zukauf nun die Gemeinkosten des Zulieferers mit gedeckt. Günstigere Bauteile drücken die Kosten, doch meist um einen Preis: Die Qualität des Produktes verringert sich oder die Lieferzeiten werden beeinträchtigt, da der Zulieferer weniger zuverlässig ist. Nun steht der Vertrieb vor dem Problem, minderwertige Ware oder schlechteren Service an den Mann bringen zu müssen – die Umsätze leiden.
  4. Die erwähnten Umstrukturierungen führen in der Praxis oft zu weit weniger Effizienz, denn die „vereinten“ Techniker arbeiten oft an völlig unterschiedlichen Projekten und kommunizieren viel mehr mit anderen Mitarbeitern als untereinander. Das Organigramm mag auf dem Papier sinnvoll erscheinen, doch lässt es die tatsächliche Arbeitspraxis völlig außer Acht und erschwert den Alltag.

Dies sind einige Beispiele lokaler Initiativen, die individuell sinnvoll erscheinen und den zuständigen Manager erstmal gut dastehen lassen – unterm Strich jedoch sind sie oft schädlich. Hinzu kommt, dass selbst erfolgreiche lokale Optimierungsmaßnahmen dem Unternehmen keinerlei Vorteile bringen, wenn der optimierte Bereich nicht der Engpass – der limitierende Faktor – des Unternehmens ist.

Der Blick vom Einzelnen aufs Ganze

Mittlere Manager stehen also vor der Wahl, entweder die eigene Karriere voranzutreiben oder dem Wohl des Unternehmens zu dienen. Oft ist dies nicht mal eine bewusste Entscheidung, denn die firmeneigenen Kennzahlen, Vorgaben und Arbeitsweisen fördern aktiv die lokale Optimierung –  frei nach der nachweislich falschen Annahme „die Optimierung von Teilen führt automatisch zur Optimierung des Ganzen“.

Eine schwierige Position also, denn der Manager, der tatsächlich erkennt, dass seine interne Produktivitätserhöhung dem Unternehmen schaden wird, schneidet sich damit ins eigene Fleisch und wird womöglich abgestraft oder bestenfalls bei der Beförderung „übersehen“. Hier gilt leider zu oft „jeder ist sich selbst der Nächste“ – und das vor allem, wenn derartige Vorgehensweisen aktiv gefördert werden.

Entsprechend muss die nötige Veränderung auch vom oberen Management kommen. Ein einzelner Manager eines Bereichs wird alleine wenig erreichen – es sei denn, er kann der Geschäftsführung überzeugend darlegen, dass das Paradigma der lokalen Optimierung falsch ist und die bisherigen Vorgehensweisen kontraproduktiv sind.

Wenn er ein Beispiel – oder gar mehrere – identifiziert hat, bei dem Vorgaben oder Kennzahlen von oben ihn zu schädlichen Maßnahmen ermutigen oder gar zwingen, ist dies ein guter Ansatz, das Problem konkret zu belegen. Wichtig ist, objektiv und vorwurfsfrei zu bleiben. Der Fokus muss auf dem Wohle des Unternehmens sein: „So können wir alle darauf hinarbeiten, das Unternehmen nachhaltig zu stärken“ anstatt „Eure Vorgaben sind kontraproduktiv und erschweren mir das Leben“.

Mit einem robusten Lösungsvorschlag und einer klaren Argumentation sollte es nicht allzu schwer sein, das obere Management zu überzeugen. Zweifelsohne werden tiefgreifende Änderungen nötig sein, die alle Teile des Unternehmens mit einbeziehen. Doch der Erfolg wird durchschlagend sein, wenn einmal alle gemeinsam auf ein Ziel hinarbeiten, anstatt eifrig ihre eigenen Zahlen zu frisieren.

* Uwe Techt ist Geschäftsführer der VISTEM GmbH & Co. KG und gilt als Vorreiter im deutschsprachigen Raum für die Nutzung der Theory of Constraints (TOC) und des Critical Chain Projektmanagements. Als strategischer Denker für grundlegende Verbesserungen und Durchbruchsinnovationen ist der Topmanagement Coach auch gefragt als Speaker und Autor. Zuletzt von ihm erschienen ist das Fachbuch „PROJECTS that FLOW“.

Weitere Informationen unter www.uwetecht.de sowie www.vistem.eu