Das EGO auf dem Parkplatz abstellen
Von Markus Jotzo
Neulich ein Chef auf der Betriebsversammlung: „Wenn ich auf den Parkplatz draußen schaue, dann denke ich, ihr verdient alle viel zu viel!“ Man möchte meinen, das sei ein Stromberg-Zitat. Leider ist es die Antwort eines Geschäftsführer, auf die Bitte seiner Mitarbeiter nach einer Gehaltserhöhung und Weihnachtsgeld. Wertschätzung? Fehlanzeige!
Dabei sollte Wertschätzung im Umgang mit den Mitarbeitern eine Maxime für jedes Unternehmen sein. Im Grunde weiß doch jeder Chef, dass seine Firma ohne die Mitarbeiter gar nicht existent wäre. Leider sieht die Realität oft anders aus: Unfreundliche, gestresste Führungskräfte, Mobbing unter Kollegen. Keiner traut dem anderen und die Energie wird aufs Schimpfen verwendet, statt im Sinne des Unternehmens zu denken und zu handeln. Höchste Zeit also, dass Führungskräfte Wertschätzung lernen und ihr eigenes Ego immer mal wieder auf dem Parkplatz abstellen.
Führungskräftetrainer, Keynote-Speaker und Autor Markus Jotzo, zeigt fünf Ansätze, mit denen die tägliche Wertschätzung funktioniert.
Verantwortung delegieren
Ein Sprichwort sagt: Nicht gemotzt, ist Lob genug. Das sehe ich anders. Wir alle wollen gerne für das, was wir tun, Anerkennung und Lob erhalten. Hin und wieder bedeutet das auch, dass wir neue Herausforderungen meistern, neue Bereiche verantworten müssen.
Dafür ist es aber notwenig, dass Sie als Führungskraft Ihren Mitarbeitern etwas zutrauen, einen Vertrauensvorsprung geben, ihn wertschätzen. Daran wachsen die Mitarbeiter, entwickeln neue Kompetenzen und fühlen sich stärker. Denn wenn der Chef ihnen eine Aufgabe zutraut, die ihr bisheriges Know-how übersteigt, können sie sich beweisen. Für den Anfang sollten Sie als Chef, oder ein erfahrener Kollege, dem Mitarbeiter allerdings mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn Fragen auftauchen.
Dialoge führen statt Monologe
Jetzt spricht der Chef! Eine goldene Regel, die allzu oft auch in Besprechungen zu laufenden Projekten, neuen Themen oder sogar in Beurteilungsgesprächen angewendet wird. In Gesprächssimulationen in meinen Trainings reden sieben von zehn Führungskräften 75 Prozent der Zeit oder mehr, obwohl für einen guten Dialog ein 50:50 Gesprächsanteil vonnöten ist. In Projekt-Fortschritts-Meetings sollte der Chef sogar nur rund 25 Prozent der Zeit reden. Denn der Mitarbeiter spricht ja von seinen Gedanken und über Ideen, die umgesetzt werden sollen. Wertschätzung im Dialog bedeutet, dass Sie Ihren Mitarbeitern Fragen stellen und sie ihre Ideen darlegen lassen, anstatt einen Monolog zu halten und Ihr Gegenüber als reine Exekutive einzusetzen.
Mitarbeiter explizit kritisieren
Fehler passieren jeden Tag. Ihnen als Führungskraft ebenso wie Ihren Mitarbeitern. Wie oft denkt sich der Chef „Naja, das ist jetzt ’ne Kleinigkeit, da mäkele ich nicht gleich an meinem Mitarbeiter rum.“ Zunächst einmal ein guter Ansatz. Viel wertschätzender wäre jedoch, wenn Sie Fragen stellten wie „Wie ist denn der Fehler passiert?“ oder „Wie könnten Sie das beim nächsten Mal vermeiden?“. Dann können Mitarbeiter aus ihren Fehlern lernen. Damit gehen Sie einem Problem auf den Grund, investieren Zeit und Energie in die Entwicklung von Mitarbeiterkompetenzen. Ferner vermeiden Sie zukünftige Fehler. Vielleicht mangelte es ja nur an der Konzentration. Vielleicht lag der Grund aber auch in der Arbeitsorganisation oder an fehlenden Kenntnissen. Dann können diese Probleme konkret gelöst werden.
Mittelmaß langfristig bekämpfen
Wenn Fehler sich häufen oder wiederholen, gibt es zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Entweder sie geben sich mit dem Mittelmaß zufrieden und denken: „Bei dem reicht es halt nicht für mehr“. Oder Sie sagen: „Damit gebe ich mich nicht zufrieden“ und unterstützen Ihren Mitarbeiter, damit er besser wird. Das ist zu Ihrem eigenen Wohl, zum Wohl der Abteilung und Sie drücken damit Ihre Wertschätzung aus. Sie können, zum Beispiel am Ende eines kritischen Feedback-Gesprächs, einen Folgetermin mit Datum und Uhrzeit vereinbaren. Der Mitarbeiter weiß dann, wann er vom Chef das nächste Feedback zum Thema bekommt und wird daran arbeiten, besser zu sein. Sie als Führungskraft achten verstärkt auf den Mitarbeiter und können ihm ein noch besseres Feedback geben. Das wiederholen Sie so lange, bis Sie beide zufrieden sind. Aber Achtung! Lassen Sie Ihren Mitarbeiter im Gespräch über seine Fortschritte und Lücken sprechen.
Dahin gehen, wo es weh tut
Menschen verändern Verhalten, weil sie zum einen Freude erreichen und zum anderen Schmerz vermeiden wollen. Wenn Sie als Führungskraft das Verhalten eines Mitarbeiters auf wertschätzende Art und Weise verändern wollen, machen Sie sich am besten die W(ahrnehmung)+W(irkung)+W(unsch)-Formel zunutze. Nehmen Sie wahr, wenn der Mitarbeiter eine professionelle Kundenberatung durchführt. Kommunizieren Sie Ihrem Mitarbeiter auch die Wirkung, dass der Kunde in diesem Monat 20 Prozent mehr Ware abgenommen hat und äußern Sie den Wunsch, dass Ihr Mitarbeiter genauso weiter macht. Die Formel funktioniert auch dann, wenn Sie einen Mitarbeiter auf Fehler hinweisen müssen. Kommunizieren Sie Ihre Wahrnehmung, was Sie beobachtet haben. Fragen Sie nach, was der Mitarbeiter genau gemacht und gedacht hat und fordern Sie eine Antwort darauf, wie sich dieser Fehler zukünftig vermeiden lässt. Achten Sie auch hier darauf, dass Ihr Mitarbeiter mehr als 50 Prozent der Zeit spricht. Häufig beantwortet ein verärgerter Chef nämlich diese drei Fragen bereits. Es ist zwar wesentlich schmerzhafter für den Mitarbeiter, selbst Rede und Antwort zu stehen, aber auch für zukünftige Ergebnisse effektiver.
Für alle Ansätze gilt, dass in jedem Fall der Ton die Musik macht und ein Mitarbeiter ebenso zu Wort kommen muss, wie der Chef. Das bedeutet, dass Führungskräfte sich selbst zurücknehmen. Rücken Sie den Mitarbeiter in den Vordergrund und geben Sie ihm Verantwortung und Vertrauen. Mein Tipp: Bauen Sie einen großen Parkplatz für Ihr Ego!